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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Seite ritten. Seine Blicke drückten Bedauern aus, während meine Blicke den Eindruck erweckten, dass ich eine Frau sei, die eine Demütigung mit Fassung trägt. Ich erwartete nicht, dass Arnulf auch nur ein Wort über Emma verlieren würde, und ich behielt recht.

    Â»Sprichst du bitte mit Gerlindis«, sagte er.
    Â»Worüber?«
    Er deutete nach vorn. Gerlindis näherte sich dem Blondschopf Grifo so unauffällig, dass es auffallen musste. Dieser betont langsam auf ein Ziel zustrebenden Bewegung lag deutlich sichtbar eine machtvolle Anziehung zugrunde. Das ließ mich schmunzeln.
    Â»Weißt du noch, wie’s bei uns damals war?«, fragte ich Arnulf.
    Ein Leuchten trat in seine Augen, und ich war mir wieder seiner Liebe gewiss. Die feindlichen Biester verschwanden, das Unglück meines Lebens verzog sich. Ich war Ermengard, Arnulfs geliebte Frau, Trägerin einer Million gemeinsamer Erinnerungen, und ich würde ewig leben. Alles andere war unwichtig.
    Â»Bei uns war das etwas anderes«, sagte er. »Ich mache ungern den Spielverderber, aber ich bin Gerlindis’ Onkel, und Grifo ist mein Verdächtiger. Der König hat ihn aus seinem Aufgebot für die Inspektionsreise im Frühling an die Kanalküste gestrichen. Die Nordmänner führen dort immer wieder Raubzüge durch, und Grifo sollte den König bei der Errichtung mehrerer Garnisonen beraten. Daraus wird nun nichts. Er hat Glück, dass er an der Jagd teilnehmen darf. Du siehst, jede Verbindung zwischen Gerlindis und Grifo ist derzeit unmöglich. Wir haben schon darüber gesprochen.«
    Â»Ja.« Ich seufzte, aber es war kein trauriger Seufzer, sondern ein versöhnlicher. Ich hatte Lust, Arnulf nachzugeben, obwohl ich Gerlindis das von ihr erhoffte Gespräch mit Grifo gerne gewährt hätte. Die beiden hatten es schwer genug, da sie keine Möglichkeit hatten, sich ohne Beisein anderer zu treffen, und nun wurde ihnen noch nicht einmal ein Wortwechsel im Beisein anderer gegönnt.

    Ich fing Gerlindis gerade noch rechtzeitig ab, bevor sie sich Grifo zugewandt und das Wort an ihn gerichtet hätte. Ich, ein Keil, stieß mitten hinein zwischen die beiden. Mein plötzliches Erscheinen missfiel Gerlindis natürlich, wie das Erscheinen meiner Mutter mir vor siebenundzwanzig Jahren missfallen hatte. Ich erinnere mich an den Groll und an die in meiner Brust sich bildenden Schimpfwörter angesichts elterlicher Störenfriede, die verhindern wollten, dass ich womöglich unverheiratet geschwängert wurde. Die Schimpfwörter in Gerlindis’ Brust waren vermutlich nicht sehr verschieden davon.
    Behutsam, elegant und präzise drängte ich Gerlindis ab und nötigte ihr ein nichtssagendes Gespräch auf, dessen Wortlaut jeder in unserer Umgebung, der es gewollt hätte, hören konnte. Erst als wir ein wenig zurückgefallen waren, sagte ich mit gedämpfter Stimme: »Es tut mir leid, Liebes, das musste sein.«
    Â»Ach!«, stieß sie hervor. Dabei beließ sie es, doch ihre Miene erklärte mich zur böswilligen, grausamen Tante. Ich nahm es ihr nicht übel. Sie war jung und verliebt, da kennt man nur Freund und Feind, und jeder noch so gut gemeinte Ratschlag wird dem Reich des Bösen zugerechnet.
    Â»Sobald Grifos Unschuld bewiesen ist«, fügte ich aufmunternd hinzu, »werde ich höchstpersönlich Grifo zu uns einladen und ihm ermöglichen, um dich zu werben. Auch dein Onkel wird euch keine Steine in den Weg legen.«
    Mein Trost versank im Sumpf des Ungesagten. Demonstrativ begab Gerlindis sich zu Emma, die mit der Sächsin Gersvind Seite an Seite ritt, zwei Konkubinen, die nun eine Jungfrau in ihre Mitte nahmen. Und ich war eingeklemmt zwischen der Sorge, Arnulf zu enttäuschen, und der Sorge, Gerlindis zu verlieren, um die ich so hart gekämpft hatte.
    Eine vierzehn Monate alte Erinnerung: Ich bekomme endlich ein Kind.
    Â 
    Ich stehe meiner Schwester gegenüber, der einzigen, die noch lebt. Ihre Züge ähneln den meinen, umso betroffener bin ich, als ich sehe, wie schmutzig sie ist. Da sie nicht wusste, dass ich heute eintreffe, konnte sie sich nicht waschen, aber ich zweifle daran, dass sie sich gewaschen hätte, wäre sie über den Zeitpunkt meines Eintreffens unterrichtet gewesen. Ich erinnere mich, dass sie schon als Kind von bisweilen unsinnigem Trotz war. Irgendetwas Graues zieht sich quer über ihr Gesicht, und ihre

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