Die Giftmeisterin
an. Vielleicht war Gerlindis ein klein wenig auch zu Bertas Kind geworden.
»Es steht dir hervorragend, Gerlindis. Es passt zu deinem Teint.«
»Nicht wahr, Tante, du bist mir nicht mehr böse?«
»Ich war zu streng. Unbekümmertheit ist ein Vorrecht deines Alters. Ich wünschte mir nur, du würdest in heiklen Momenten weniger gedankenlos reden. Die Vorstellung, du könntest wie sie werden - du weiÃt schon, wie Emma -, ist schrecklich für mich. Du sollst eine Frau werden, die sich der Tragweite ihrer Worte und Handlungen gewiss ist.«
»Ich werde mir Mühe geben, dich nicht mehr zu enttäuschen.«
»Du wirst heute Abend die Schönste sein.«
»Oh, danke, Tante, du bist lieb.«
Wir umarmten uns, und damit war die Versöhnung besiegelt.
Gerlindis sagte: »Wenn du mich hier nicht brauchst, werde ich das Kleid zu Berta bringen. Es müssen einige kleine Ãnderungen daran vorgenommen werden.«
Ich lieà sie gehen. Vorfreude ist die schönste Freude, die nicht durch Tanten und Hausarbeiten getrübt werden sollte. AuÃerdem ist die Angst vor der Tat schlimmer als während der Tat, und meine Nervosität, ob mein Plan gelingen würde, stieg beständig an und lieà mich die menschliche Gesellschaft scheuen.
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Kaum jedoch war Gerlindis fort, kam Gerold. Ich war mir sofort darüber im Klaren, dass er keinen Höflichkeitsbesuch machte. Wenn eine hochgestellte Person, zumal ein Papst, die Pfalz besucht, hat ein Seneschall in wenigen Tagen mehr zu tun als sonst in Wochen oder Monaten. Ein dringender Anlass musste ihn zu mir geführt haben.
Ich bot ihm Platz an, was sich als schwierig herausstellte, da noch überall die Gewänder herumlagen, die weder von Gerlindis noch der Zofe weggeräumt worden waren. Ich schuf notdürftig Platz, doch so, wie wir zwischen den Gewändern saÃen, sah es lächerlich aus. Gerold nahm die Unordnung nicht wahr. Er lehnte ein wärmendes Getränk ab und legte ernst wie ein Philosoph die Stirn in Falten.
»Hat Euer Kommen mit Grifo zu tun?«, fragte ich geradeheraus. »Oder mit Gerlindis?«
»Nein, Gräfin. Grifo wird wieder gesund, und der Mord an Mathilda - so schrecklich er ist - entlastet ihn, denn in seinem Zustand wäre er kaum in der Lage gewesen, diese Bluttat zu begehen. Es klingt ungebührlich, doch für meinen Sohn bedeutet dieses neuerliche Verbrechen die Wiederherstellung seines Rufs, und damit auch meines eigenen. Was Gerlindis angeht, so habe ich keine Einwände gegen sie, im Gegenteil, ich würde mich über eine Verbindung unserer Familien freuen.«
»Nun, dann...?«
Er schwieg eine Weile. Ich drängte ihn nicht durch Nachfragen.
Gerold sagte: »Ich habe mit mir gerungen, Euch von dem zu erzählen, was ich gleich erzählen werde. Gestern schon wollte ich es mir von der Seele reden, doch ich traf nur Eure Nichte an.«
»Ich war unterwegs, aber... Gerold, Ihr seht bedrückt aus. Ich bitte Euch, sprecht.«
Erneut schwieg er.
Dann: »Ich bin Euch dankbar für das, was Ihr kürzlich für Grifo und mich getan habt, als Ihr mir die Pfeilspitze übergeben habt. Erst als Ihr gegangen wart, habe ich begriffen, dass Ihr die Pfeilspitze nicht zufällig fandet, sondern dass Ihr - wie soll ich es sagen? -, dass Ihr bezüglich des Mordes an Hugo Untersuchungen durchführt. Stimmt mein Eindruck?«
»Nun ja, ich...« Was sollte ich herumdrucksen? Ich gestand: »Ja, Gerold, Ihr habt recht. Irgendwie bin ich da hineingeraten.«
»Glücklicherweise.«
Sein Lob war das Beste, was ich seit langer Zeit erhalten hatte. Ein Wort nur, ein einziges Wort, und ich war einen Augenblick lang froh und zufrieden.
»Ich komme zu Euch«, sagte Gerold, »weil ich etwas über Hugo weiÃ, das vielleicht von Wichtigkeit ist. Ich überlasse Euch die Entscheidung, wie Ihr damit umgeht. Aber ich sage Euch gleich: Leicht wird es nicht, weder für mich noch für Euch. Möchtet Ihr es trotzdem hören?«
Welche Wahl hatte ich schon? »Gewiss.« Mein Mund war vollkommen trocken.
Gerold holte tief Luft. »Wie Ihr wisst, starb meine Frau vor einigen Jahren. Auf dem Sterbebett, am Tag ihres Todes,
vertraute sie mir etwas an, das sie vorher bereits dem Priester gebeichtet hatte.« Er holte noch einmal tief Luft. »Sie gestand mir, dass Hugo nicht mein Sohn sei. Er ist die Frucht einer ehebrecherischen
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