Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Kaiser von Shandar nimmt König Malo sehr ernst. Wenn man bedenkt, dass Kaiser Surabar, bevor er den Mantel nahm, einer der höchsten Generäle des Militärs war, würde ich sagen, dass König Malo den Ruf von Thrandor als ein starkes Land im letzten Jahr sehr gefestigt hat. Ich bin überrascht, dass man ihn nicht überall für einen Helden hält.«
»Die militärischen Siege!«, sprühte Dreban verächtlich. »Die kann ich von der Hand weisen und das tue ich auch. In beiden Fällen hat ein kleiner Bürgerlicher, der nicht mehr königliches Blut in den Adern hat als eine gewöhnliche Kanalratte, König Malo gerettet. Der König hatte keinen Anteil an der Rettung von Thrandor. Die Wahrheit ist vielmehr, dass er beide Male außerordentliches Glück hatte, und das weiß er auch. Das Beste, was Malo für Thrandor getan hat, ist, keinen Erben hervorzubringen. Dann hat vielleicht ein fähigerer Zweig der Familie die Chance zu zeigen, was König zu sein bedeutet.«
»Ich nehme an, wenn Baron Anton der Favorit des Königs für seine Nachfolge war, hat ihm das eine Menge Feinde eingebracht«, sagte Femke nachdenklich.
»Ich würde eher ›Rivalen‹ sagen als Feinde, Botschafterin«, entgegnete Graf Dreban, doch sein Gesicht strafte seine Worte Lügen. »Hier in Thrandor machen wir keine Politik durch Blutvergießen. Das Leben in Mantor ist nicht barbarisch.«
»Wie Ihr meint, Graf Dreban, obwohl meine Erfahrungen in Eurer Stadt mich etwas anderes glauben lassen.«
»Oh, ich bezweifle, dass der Mord an Baron Anton einen politischen Hintergrund hatte, Botschafterin«, erwiderte der Graf.
»Tatsächlich? Wie könnt Ihr da so sicher sein?«, fragte Femke verblüfft, weil er sehr überzeugt klang.
»Am Hof habe ich den Ruf, der Rücksichtsloseste der Edelmänner zu sein, doch nicht einmal ich würde mich auf so ein Niveau herablassen. Ich tue, was auch immer unter der Hand notwendig ist, um dem Ansehen meiner Rivalen zu schaden, aber ich würde nie auf Mord zurückgreifen, und unter unseren Edelleuten sind keine, die den Mumm hätten, solch blutige Mittel anzuwenden. Glaubt mir, Botschafterin, das ist kein politischer Mord.«
»Aber wenn es nicht politisch motiviert war, wer hat den Baron dann ermordet?«, fragte Femke, nicht überzeugt von den Argumenten des Grafen. In Shandar gab es immer jemanden, der bereit war, für seine Ziele zu morden. Das war ein Berufsrisiko für diejenigen, die die Macht innehatten, und es war schwer vorstellbar, dass Thrandor völlig frei von derartigen Überlegungen war.
»Ich habe keine Ahnung, aber ich würde es gern herausfinden. Was den Rest von Thrandor jedoch angeht, wird die Antwort auf diese Frage offensichtlich sein. Der Besuch der Botschafterin ist das Zufallselement. Natürlich wart Ihr es, und ich werde den Ruhm dafür einstreichen, dass ich Euch gefangen und der Gerechtigkeit übergeben habe. Wer weiß, vielleicht verschafft mir das im bevorstehenden neuen Kampf um die Nachfolge einen Vorteil.«
Der Graf rieb sich die Hände und sah einen Moment in die Ferne, während er sein Glück auskostete. Femke jedoch arbeitete hart an der letzten Wendung der Ereignisse. Sie wollte ihre Position nicht dadurch verschlimmern, dass sie den Grafen verletzte, und sie war sich keineswegs sicher, dass sie ihn in ihrem Zustand unschädlich machen konnte, ohne ihn zu verletzen. Doch es schien unwahrscheinlich, dass er sie sofort zum König bringen würde. Wenn er das wollte, dann hätte er sie direkt den Wachen übergeben können, als sie an seine Tür geklopft hatten. Nein. Wenn sie die Lage richtig einschätzte, würde Graf Dreban sie einschließen und den König schwitzen lassen, während seine Wachen die Stadt umsonst auf den Kopf stellten. Das bedeutete, dass sie Zeit bekam, um zu fliehen. Mit etwas Glück musste sie von hier unter nicht ganz so schweren Bedingungen flüchten wie aus dem Palast.
Ihre Vermutung erwies sich als korrekt, doch ihre Hoffnungen, dass der Graf sie ihrem Rang entsprechend behandeln würde, wurden enttäuscht. Der Edelmann betrachtete sie mit hungrigem und lüsternem Blick, während er sie mit dem Schwert in der Hand zwang, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, auch wenn er keine Anstalten machte, sie zu berühren. Beim Anblick des kleinen Waffenarsenals, das sie am Körper versteckt hatte, hob er erstaunt die Augenbrauen. Als sie schließlich in ihren Unterkleidern vor ihm stand, war Femke überzeugt, dass Dreban sie mittlerweile wesentlich eher als
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