Die Gilde von Shandar: Die Spionin
schlug er, wenn er nüchtern genug war, uns zu erwischen. Mit neun wurde ich zur notorischen Diebin und mit zwölf war ich eine berüchtigte Diebin. Falls du irgendeine romantische Vorstellung davon hegst, dass ich ein gelangweiltes reiches Mädchen bin, das um der Aufregung willen ein bisschen spioniert, vergiss es. Meine Familie hat keine Ahnung, wohin ich vor acht Jahren verschwunden bin, und es scheint sie auch nicht zu kümmern. Allem Anschein nach bedeutete mein Verschwinden lediglich, dass ein hungriges Maul weniger zu stopfen war.«
»Deine Familiengeschichte ist mir egal. Ich möchte dich kennenlernen – die Frau, die aus dem Mädchen geworden ist. Was ist sie für ein Mensch? Kann ich hoffen, mehr von der Schöpferin der Lady Alyssa und all der anderen Charaktere zu erfahren?«
»Da bin ich mir nicht sicher, Danar. Und solange die Angelegenheit hier in Mantor nicht geklärt ist, werden wir uns damit nicht beschäftigen. Die Ereignisse der nächsten paar Tage sind entscheidend für wesentlich wichtigere Dinge als irgendeine persönliche Beziehung. Ich muss gefährliche Arbeit verrichten. Wenn ich das überlebe, dann werde ich mir überlegen, ob ich über deine Frage eingehender nachdenken sollte.«
Danar nickte. »Das verstehe ich«, sagte er. »Ich glaube zwar, dass du unrecht hast, aber ich verstehe es. Persönliche Beziehungen können vieles beeinflussen, und die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, kann auf die Welt um sie herum eine große Wirkung haben. Ich bin der Erste, der zugibt, dass ich mir nicht ganz darüber klar bin, was hier eigentlich vor sich geht. Ich bin allerdings sicher, dass ein paar gute persönliche Beziehungen zwischen den Hauptakteuren diese Probleme beseitigen könnten.«
Femke musste lachen, bereute es jedoch sofort, als sie sah, dass sie ihn verletzt hatte. Danar hatte recht. Er hatte keine Ahnung. Wie konnten persönliche Beziehungen die Wunden heilen, die Mord, Betrug und Krieg geschlagen hatten? Die Situation war mittlerweile so verfahren, dass fast nur noch ein Wunder den wachsenden Riss zwischen den beiden Ländern kitten konnte. Femke hatte einen Plan, der dieses Ziel anstrebte, aber er barg viele Gefahren, und es war keineswegs sicher, dass er funktionieren würde.
»Bitte fass das nicht falsch auf, Danar, denn in gewisser Weise hast du recht. Wenn Surabar und Malo die besten Freunde wären, ja, dann läge die Sache vielleicht anders. Sie sind es aber nicht, und wenn es mir nicht gelingt, den Schaden zu reparieren, den Shalidar in den letzten Wochen angerichtet hat, werden sie auch nie Freunde werden. Shalidar muss enttarnt werden und das wird nicht einfach sein.«
»Nun, ich habe nicht deine Erfahrung, aber wenn ich helfen kann …«
»Das ist ein freundliches Angebot, aber ich glaube nicht, dass es angebracht wäre, dich in solche Gefahr zu bringen oder dich in die weniger...« Femke hüstelte und sah etwas verlegen drein, bevor sie fortfuhr: »… nun ja, weniger legalen Aktivitäten zu verwickeln, die notwendig sein werden, um meinen Plan zu verwirklichen. Es wäre besser, wenn du keine Kenntnis davon hast, was ich vorhabe. Je weniger du von meinen Plänen weißt, desto weniger kann man dir die Schuld daran geben, dass du mich nicht aufgehalten hast«, schloss sie mit einem entschuldigenden Grinsen.
Diesmal war Danar an der Reihe zu lachen.
»Meine liebe Femke«, kicherte er. »Femke ist doch richtig, oder? Oder ist das auch ein falscher Name?«
Femke schüttelte lächelnd den Kopf. »Femke ist mein richtiger Name«, bestätigte sie.
»Nun, meine liebe Femke, du solltest aus deiner Zeit bei Hofe wissen, dass ich, seit ich sechs Jahre alt war, eigentlich ständig in Schwierigkeiten gesteckt habe. Ich habe einen schlimmeren Ruf, Gesetze zu brechen, als jemals ein anderer Lord am Hof zuvor. Glaubst du, du könntest mich damit abschrecken, dass ich hier und da gegen ein paar Regeln verstoßen müsste? Ich stecke doch schon bis zum Hals mit drin. Ich habe dir geholfen, aus dem königlichen Gefängnis auszubrechen, oder? Ich bezweifle sehr, dass die Behörden das hier sehr freundlich aufnehmen, wenn sie davon erfahren.«
»Wahrscheinlich nicht«, gab Femke widerstrebend zu. »Aber wenn du wirklich weitermachen willst, dann musst du versprechen, genau das zu tun, was dir gesagt wird. Keine Improvisationen – verstanden? Wenn du nur einmal aus der Reihe tanzt, dann lasse ich dich von Reynik fesseln und in irgendein Loch stecken, bis wir nach Shandar
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