Die Gilde von Shandar: Die Spionin
eindeutig geschneidert, um seine schmalen Hüften und breiten Schultern zu betonen. Außerdem hatte er Jacken, die ebenfalls die Schultern betonten, und Hosen, die aussahen, als ob sie ihn in der Mitte durchschneiden würden. Schon bei ihrem Anblick musste Femke grinsen. Sie konnte es kaum glauben, dass jemand mit so wenig Sinn fürs Praktische reisen konnte. Doch das waren die Sachen, die Lord Danar eingepackt hatte, und sie konnte sich vorstellen, dass Ennas ihm die praktischen Kleider für die Reise geliehen hatte, damit man sie auf der Straße nicht auslachte.
Nachdem sie die Sachen in den Schränken verstaut hatte, stellte sie die Satteltaschen an die Tür und rief nach einem der königlichen Diener, um ihr zu helfen. Zwei Mitglieder des Personals standen im Gang. Der Mann und die Frau hatten eine solche Bitte offenbar erwartet.
»Entschuldigt bitte, aber wäre es möglich, dass Lord Danars Satteltaschen gereinigt und gewachst werden?«, fragte sie höflich. »Wenn nicht, werde ich es selbst tun – ich brauche nur die geeigneten Reinigungsmittel. Ich habe den Rest gestern verbraucht und in der Stadt konnte ich noch kein neues besorgen.«
»Mach dir keine Sorgen, Junge«, erwiderte die mütterliche Dame freundlich. »Gib sie mir, dann sorge ich dafür, dass die Stallburschen sie so sauber machen, dass sie wie neu sind. Es ist ganz gut, wenn sie etwas Vernünftiges zu tun haben, anstatt die Ställe auszumisten und Dinge zu polieren, die es nicht nötig haben.«
»Vielen Dank, das ist sehr freundlich«, bedankte sich Femke. »Mein Herr hat mich außerdem gebeten, ihm ein Bad einzulassen. Könnt Ihr mir zeigen, wo es heißes Wasser gibt? Ich muss oft laufen, um die Wanne im Bad vollzumachen, und würde gerne bald damit anfangen.«
Die beiden Diener sahen sich mit leicht überlegenem Lächeln an.
»Oh, hier im Palast brauchst du keine schweren Wassereimer schleppen, mein Junge«, sagte der Mann, dessen Stimme sein Lächeln widerspiegelte. »Durch ein spezielles Rohrleitungssystem wird das heiße Wasser direkt in die Wanne gepumpt. Hier, ich zeige es dir.«
Femke kannte die Heißwasserleitungen zwar schon, aber es war wichtig, ihre Rolle bei den Leuten gut zu spielen, die sie am häufigsten sehen würde. Sobald sie erst einmal als der junge Diener akzeptiert wurde, der nichts wusste und blind seinen Befehlen gehorchte, würde das Personal in ihr auch nichts anderes mehr sehen.
»Rohrleitungssystem? Von so etwas habe ich noch nie gehört!«, rief Femke aus und riss vor Staunen die Augen weit auf. »Ich muss gestehen, ich habe mich nicht gerade darauf gefreut, dieses Riesending von Wanne füllen zu müssen. Da wäre ich wahrscheinlich die ganze Nacht hin- und hergerannt.«
Das Paar lachte herzlich und die Frau tätschelte ihr sanft den Arm.
»Mach dir keine Sorgen«, versicherte sie ihr. »Regis zeigt dir, wie es funktioniert, und dann kannst du deinen Herrn damit überraschen, dass du ihm das größte und heißeste Bad zeigst, das er seit Langem gesehen hat.«
Femke lachte leise, wobei sie sich bemühte, dass ihre Stimme nicht aus den tiefen Tonlagen in die normale Lage abglitt.
»Das wäre schön«, rief sie begeistert. »Es ist immer besser, einen Schritt weiter zu sein als der Alte.«
»Ich würde gerne einen Auftrag erteilen«, sagte Reynik leise und blickte sich um, ob sie jemand hören könnte. »Einen finalen Auftrag, wenn Ihr wisst, was ich meine.«
»Ich bin nicht ganz sicher, mein Herr«, entgegnete der Kammerherr und starrte Reynik verständnislos an. »Mein Herr bat mich darum, heute Nachmittag nicht gestört zu werden. Er führt seine Geschäfte meistens morgens. Soll ich für Euch einen Termin mit ihm machen? Wahrscheinlich kann ich Anfang nächster Woche eine Lücke in seinem Terminkalender finden.«
Reynik sah den Kammerherrn vernichtend an. »Sag deinem Herrn, dass jemand an der Tür ist, der bereit ist, zweitausend thrandorianische Goldmünzen für einen endgültigen Auftrag zu bezahlen. Ich habe gehört, dass er ein Geschäft führt, das die von mir gewünschten Ergebnisse liefert, aber wenn sich diese Informationen als falsch erweisen sollten, werde ich anderswo hingehen.«
»Danke, Hanri, ich kümmere mich weiter darum.«
Shalidar erschien in einer Seitentür der Eingangshalle hinter dem Diener und winkte den makellos gekleideten alten Mann fort. Reyniks Herz schien auszusetzen. Er war es! Shalidar war der Killer, der seinen Onkel ermordet hatte. Es bestand kein Zweifel.
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