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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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andere Reisende zurückhielt, damit sie eine oder zwei Stufen hinaufspringen konnte. Rani wollte sicherstellen, dass sie in die Kathedrale eingelassen würde. Sie wollte das Ritual an Jairs Festtag als Reinigungsritual betrachten.
    Die Kathedrale war immerhin der Ort, an dem dieses ganze Abenteuer begonnen hatte. Wenn sie sich wieder hineinstehlen könnte, dann könnte sie eine Kerze für die mildtätigen Götter anzünden und zu dem ruhigen Leben zurückfinden, das sie gekannt hatte. Sie würde ihren Status als Lehrling mit Freuden ablegen, wenn sie nur in die friedliche Ruhe eines Händlerlebens zurückkehren, sich wieder in ihrer leichten Rolle als Tochter ihrer Eltern einrichten dürfte, als Bardos Schwester. Rani gelang es, im Eifer ihrer jähen, frommen Leidenschaft, die Tatsache zu verdrängen, dass sie nie wieder als Tochter ihrer Eltern handeln würde, dass sie ihre Mutter und ihren Vater niemals Wiedersehen würde.
    Der Priester begrüßte die Pilger weiterhin. Im Namen Lenes, des Gottes der Bescheidenheit. Im Namen Sorns. Im Namen Dains.
    Rani wurde unruhig, wohl wissend, dass der Priester bald die letzte Dekade der Götter erreichte. Sie wand sich unter Salinas Griff, warf ärgerliche Blicke um sich. Das Gesicht der Gildemeisterin wirkte konzentriert, als lausche sie einem fernen Zählen. »Bitte!«, rief Rani aus und vermied es nur knapp, den Namen der Gildemeisterin auszusprechen. Schließlich ließ Salina ihre Schulter los, gerade als der Priester anhob:
    »Willkommen im Haus der Tausend Götter. Willkommen im Namen Tarns.«
    Tarn. Der Gott des Todes. Rani kam zu spät – die Tausend Götter waren benannt, und sie war nicht unter den Bedachten. Rani wandte sich wütend zur Gildemeisterin um. »Da! Ich hoffe, Ihr seid glücklich! Ihr habt mich von der Kathedrale ferngehalten! Ihr habt mich von den Fenstern ferngehalten! Ihr…« Rani erstickte fast an all den Anschuldigungen, die sie der Gildemeisterin entgegenschleudern wollte, all die bitteren Klagen über ihre verlorene Familie und ihre Freunde und das Leben, das sie als Lehrling, Gesellin und Meisterin genossen hätte.
    Salina ignorierte ihren Ausbruch und drückte Rani ein fest zusammengerolltes Pergament in die Hand, bevor sie sich hinter Jairs Wächter zurückzog, in die Menge der schwarz gewandeten Pilger. »Du da!«, rief der Priester, und Rani wandte sich ihm wütend nach Luft schnappend zu, unfähig, ihren Zorn einzig auf die verschwindende Frau zu konzentrieren, die sie von ihrem Lohn abgehalten hatte. »Beruhige dich, kleine Pilgerin. Du musst nun deine Kleider richten und dein Herz beruhigen. Du bist die Erste Pilgerin des neuen Jahres.«
    Der Erste Pilger. Rani wusste natürlich von dieser Ehre. Sie hätte gewiss daran gedacht, wenn sie nicht so sehr damit beschäftigt gewesen wäre, Salina mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Der Erste Pilger wurde unter allen Pilgern geehrt und dazu auserwählt, im kommenden Jahr die wichtigsten Taten Jairs auszuführen. Während alle anderen Pilger aus ihren Kasten kamen und die Reise entsprechend ihrem Platz im Leben unternahmen, vollendete nur der Erste Pilger Jairs Geschichte. Nur der Erste Pilger wurde ins Schloss gebracht, um als ein geliebtes Mitglied seiner Familie an der Seite des Königs zu sitzen. Der Erste Pilger wurde ein ganzes Jahr lang Mitglied des königlichen Haushalts.
    Plötzlich begriff Rani die Überlegung hinter Salinas grausamen Händen. Die alte Frau hatte ein hohes Ziel für sie gesteckt, das erhabenste Ziel in einer Stadt, die auf die Verehrung der Tausend Götter eingestimmt war. Rani wandte sich wieder der Gildemeisterin zu, um ihr zu danken. Aber es war zu spät – Salina war nirgendwo mehr zu sehen. Sie war so vollständig mit der Menge der schwarz gewandeten Gläubigen verschmolzen, als hätte es sie niemals gegeben. Wie die Hirschkuh in der Warnung der Core, hatte die Gildemeisterin es vermieden, sich im gegenwärtigen Dickicht der Ereignisse zu verfangen.
    Rani schluckte schwer und wandte sich wieder dem Priester zu, wobei sie die Demut zur Schau trug, von der sie glaubte, dass sie einer Pilgerin gebührte. »Bitte, Herr. Ich fürchte, ich bin nicht die Richtige für diese große Ehre.«
    »Du wirst bei der neuen Zählung der Tausend Götter als Erste aufgeführt. Tritt vor und beanspruche deine Rechte – als Erste Pilgerin.«
    Als junges Mädchen hatte Rani mit Varna auf der Straße vor den Läden ihrer Familien gespielt. Sie hatten schwarze Lumpen getragen und

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