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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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bat, als er keine zufriedenstellende Antwort bekam, um Gerechtigkeit vor dem Königlichen Gerichtshof.
    Bardos Stimme klang verbittert, während er Rani die Einzelheiten der Geschichte erzählte, die sie noch nie zuvor gehört hatte. »Niemand in der Stadt wollte ihm helfen, nicht ein einziger Mensch. Seine eigene Kaste wandte sich gegen ihn, und die übrigen Kasten sahen auf ihn herab, als wäre er Spreu in einer Mühle. Ich erkannte damals, dass ich einem so zerrissenen, korrupten System niemals dienen würde. Und das habe ich auch nicht getan.«
    Rani sah Bardos stolz erhobenes Kinn, während seine schwieligen Finger unwillkürlich nach der Tätowierung um seinen linken Bizeps tasteten. Er war wieder der Bruder, den sie ihr ganzes Leben lang angebetet hatte. Er war der Mann, der sich nicht geschlagen geben wollte.
    »Ich erhob vor dem Händlerrat die Stimme. Da hat die Bruderschaft zum ersten Mal von mir erfahren. Ich wurde zu allen Geheimtreffen eingeladen, in die Räume in den Stadtmauern, wo du auch gewesen bist. Die Bruderschaft glaubt an wahre Gerechtigkeit, an eine Gerechtigkeit, die unabhängig von den Kasten existiert, welche die Stadt stets gepeinigt haben. Verstehst du?« Noch während Bardo sprach, spreizte er die Hände vor ihren ungläubigen Augen. »Die Bruderschaft glaubt an die Gleichheit aller Menschen. Sie lehrten mich, mit den Waffen eines Soldaten, eines Adligen zu kämpfen, was auch immer ich zum Überleben brauchte.« Rani betrachtete seine schwielige Haut und dachte an die weichen Händlerhände ihres Vaters, die von nichts Stärkerem beansprucht wurden, als vom Reiben der Münzen. Bardo nickte, als sie seine hornige Haut berührte. »Die Bruderschaft hat mich ausgebildet, hat mich zu alledem gemacht, was ich heute bin.«
    »Aber wer sind sie?«, fragte Rani schließlich, da sie trotz ihrer Angst von der Geschichte gebannt wurde.
    »Wir kommen aus allen Kasten. Da sind Adlige, wie Larindolian, und Soldaten, wie Garadolo. Wir haben Mitglieder in den Gilden – deine Salina natürlich. Händler und Unberührbare –, wir arbeiten alle zusammen, um eine Stadt aufzubauen, die so stark ist, wie Jair uns haben wollte, wie Jair es selbst war, weil er die Kasten wechselte. Darum benutzen wir das Symbol der Schlange – weil die Schlange wächst und wächst und ihre Haut abstreift, wie wir alle unsere Kasten abstreifen werden, um ein neues, immer mächtigeres Wesen zu werden.«
    Ranis Stimme wurde von dem fanatischen Leuchten in den Augen ihres Bruders erstickt. Auch wenn sie weitere Fragen hätte stellen wollen, wäre sie nicht im Stande gewesen, die Worte über ihre Scheu, ihre Angst hinweg zu äußern. Bardo fuhr mit seinen Belehrungen fort, erklärte die Bruderschaft, als spräche er ein Gebet, dort in der Kathedrale. »Die Schlange ist nun gut genährt, ist während der Jahre ausreichend gewachsen. Wir sind fast zu unserer vollen Kraft herangereift, fast bereit, unseren letzten Zug zu machen, uns zum letzten Mal zu häuten und unsere wahre Gestalt zu offenbaren.«
    »Wann?« Rani zwang das Wort hervor, fürchtete die Antwort.
    »Noch vor dem neuen Jahr«, erwiderte Bardo mit einer Hingabe, die normalerweise dem Gebet an die Tausend Götter vorbehalten war. »Wir haben alle unsere Spieler aufgestellt. Unsere stärkste Verbündete ist bereit, ihre Haut abzustreifen, bereit, ihren Platz in der Bruderschaft einzunehmen und uns in ein neues Zeitalter zu führen.«
    »Wer ist sie?«
    »Hast du es noch nicht vermutet?« Bardo sah Rani mit geduldigem Lächeln an, und sie erhaschte ein schwaches Schimmern des liebenden Bruders, der ihr Idol gewesen war. Sie schüttelte den Kopf und schämte sich ein wenig, weil sie so langsam begriff. »Larindolians Herrin. Königin Felicianda.«
    »Die Königin!«, keuchte Rani, aber noch während ihr das Wort entschlüpfte, erinnerte sie sich der Nachricht, die Mair ihr vor langer Zeit auf dem Marktplatz überbracht hatte.
    »Die Hirschkuh läuft schneller als der Hirsch, und sie hat sich nicht mit einem Geweih im Gestrüpp verfangen.«
    War es erst einen Monat her, als Rani geglaubt hatte, diese Worte gälten der Gildemeisterin Salina? Es fiel ihr selbst jetzt schwer, sich der Gewissheit zu erinnern, die sie auf dem bevölkerten Platz vor der Kathedrale empfunden hatte, des absoluten Glaubens daran, dass die Gildemeisterin diejenige sei, die die Core prophezeit hatte. Natürlich, erkannte sie jetzt. Die Königin war die Hirschkuh. Sie war die Schnellste, die Beste.

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