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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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der Kreis der Soldaten zog sich enger um Bardo und Rani zusammen. Lange Stahlmesser schimmerten im flackernden Kerzenschein, giftige Zungen, die wie Schlangen vor und zurück zuckten. »Triff deine Wahl, Bardo. Die Bruderschaft, oder diese verräterische Ratte!«
    Rani wand sich, wehrte sich gegen Bardos sehnigen Arm, um ihm ins Gesicht zu sehen. Er atmete rau, als wäre er mit den Wölfen vor der Stadt um die Wette gelaufen, als hätte er mit aller Macht die Pilgerglocke geläutet. Er sah sie nicht an. Stattdessen starrte er ins dunkle Herz der Kathedrale, als suche er den Rat des Gottes Ait und all der Tausend Götter.
    Rani spürte den Puls in seinem Arm, spürte die Verzweiflung in seinem Atem. Sie wollte so gerne sprechen, fürchtete aber, das Gleichgewicht zu stören, fürchtete, das Muster zu lösen, von dem sie nur hoffen konnte, dass es sich gerade bildete. Während sie Salina zornige Blicke zuwarf, maß die Gildemeisterin Bardos Reaktion mit ebenfalls verengten Augen. »Wähle, Bardo, sonst nehme ich dir die Wahl ab.«
    Die Soldaten regten sich unruhig, und Rani sah das Feuer auf ihren Messern lecken. Es gab keine Wahlmöglichkeit. Es gab keine Entscheidung. Bardo konnte sie der Bruderschaft übergeben, oder er konnte ihr Schicksal für sie beide akzeptieren. Die Soldaten der Bruderschaft wären erst zufrieden, wenn sie ihre Klingen in Blut getaucht hätten.
    Bardo las dieselbe Botschaft in den Augen seiner früheren Verbündeten. Seine Finger waren eisige Zangen, als er Rani zu sich umwandte. »Geh mit ihnen, Ranikaleka. Sie werden dich bei sich behalten, bis wir unsere Arbeit vollendet haben. Wenn die Bruderschaft ihre Aufgabe vollendet hat, wirst du zu mir kommen können.«
    Salina verdrehte wütend die Augen, und die Soldaten kamen näher, benutzten ihre langen Messer, um Rani von der Seite ihres Bruders fortzutreiben. »Geh, Rani!« Der Befehl wurde mit der Macht ausgesprochen, die Bardo sein ganzes Leben lang besessen hatte – die Macht eines Lieblingsbruders. »Geh mit ihnen, Rani, und alles wird gut!«
    »Bardo!«
    Ihr Aufschrei wurde von neuerlichem Rasseln von mit Brustpanzern bewehrten Soldaten, von zahllosen Stiefeln auf Stein gedämpft. »Halt!« Der Befehl hallte in der Kathedrale wider, und der Raum wurde jäh von Fackellicht erhellt. Eine Kompanie Wächter in der Livree des Königs eilte das Mittelschiff herab. »Halt im Namen König Shanoranvillis!«
    Rani war so erleichtert, dass sie beinahe vor Roats Altar zusammengebrochen wäre. Bevor sie ihre Dankbarkeit jedoch äußern konnte, signalisierte der Hauptmann der Wache seinen Leuten, Gildemeisterin Salina und Bardo zu umzingeln. Erst als die Bedrohung durch die Bruderschaft bezwungen war, achtete der Hauptmann auf den zitternden Lehrling im Mittelschiff der Kathedrale.
    »Ranita Glasmalerin!«, verkündete er und senkte sein schweres Schwert auf ihre Kehle. »Tritt vor und ergib dich der Gerechtigkeit des rechtmäßigen Königs von ganz Morenia. Verantworte dich vor König Shanoranvilli für den Tod von Prinz Tuvashanoran!«

15

    »Iss, Mädchen. Sammele Kraft für die Fragen, die man dir heute stellen wird.« Der Soldat lachte rau, während er eine Schale mit dünner Schleimsuppe durch die Eisenstäbe von Ranis Zelle schob. Ein kleiner Wasserbecher folgte, der überschwappte, als der Wächter seinen eiligen Weg durch den feuchten Gang des Verlieses fortsetzte.
    Rani schaute kaum zu der Stimme hoch. In den – wie lange war es schon? – drei Tagen, die sie in König Shanoranvillis Verliesen eingesperrt war, hatte sie nicht mehr als einen Bissen der armseligen Kost hinunterbringen können, die als Frühstück, Mittagessen und Abendessen diente. In ihrem unsteten Schlaf erinnerte sie sich guter Mahlzeiten, die sie genossen hatte, sogar der Reichtümer, die Narda vor so langer Zeit auf dem Marktplatz mit ihr geteilt hatte, aber sie konnte ihren Magen nicht zwingen, die wässerige Schleimsuppe zu akzeptieren.
    »Ja«, erklang eine sarkastische Stimme aus der Zelle gegenüber dem engen Gang. »So ist es gut, Mädchen. Deine Familie wäre stolz auf dich.«
    Ihre Familie. Die Wächter hatten kein Geheimnis aus Ranis Identität gemacht, als sie sie in die Verliese zerrten. Die anderen hatten mit dem Patriotismus der Verbohrten reagiert, hatten sie bespuckt und mit Schimpfworten bedacht. Mehrere Gefangene ballten beide Hände zur Faust und wedelten mit einem einzelnen Daumen in ihre Richtung, als obszöne Erinnerung an die Glasmaler, die

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