Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
jetzt ist die Zeit gekommen. Die Bruderschaft ist jetzt am stärksten, und wir haben dich – dich – jeden Tag im Palast. Du kannst die letzten Fäden in unser Muster weben und das Ende der Kasten zu mehr als nur der Erzählung eines Barden werden lassen. Du kannst garantieren, dass Bashanorandi unser nächster König wird.«
Rani starrte Bardo ungläubig an. Sie musste ihn missverstanden haben. Sie musste sich verhört haben. Bardo konnte nicht von ihr wollen, dass sie Hal ermordete. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Bardo.«
»Ich glaube, das weißt du doch, Rani. Ich glaube, du begreifst die Aufgabe der Bruderschaft. Wir sind so nah dran… Du kannst dich uns anschließen, liebste Schwester. Du kannst ein vollständiges Mitglied der Bruderschaft werden, wenn du nur diese eine Sache tust. Den Prätendenten töten. Töte Prinz Halaravilli und tritt der Bruderschaft bei.«
»Nein!«, schrie Rani und verwahrte sich gegen den Gedanken, verwahrte sich gegen die Bruderschaft, verwahrte sich gegen das fanatische Leuchten in Bardos Augen. »Du weißt nicht, was du sagst! Hal ist die Hoffnung Morenias. Er kann in Tuvashanorans Aufgabe hineinwachsen.«
»Prinz Halaravilli ist ein plappernder Dummkopf! Er kann kaum zehn Worte zu einem zusammenhängenden Satz zusammenfügen!«
»Das ist nur Theater«, flehte Rani. »Er singt und reimt, um sich zu schützen, um sich zu retten vor…«, sie schluckte schwer, zwang sich aber, den Satz zu beenden, »…vor jenen, die ihn tot sehen wollen.«
Bardos Hände schlossen sich um ihre Arme, drückten ihr die Schultern bis zu den Ohren hoch. »Hör dir nur zu, Rani. Er ist ein Lügner, ein Betrüger. Solch ein Mann verdient es, König zu sein? Mit einem schnellen Klingenstreich, mit einem Gifttrank kannst du das alles ändern. Du kannst das Königreich retten!«
»Sie sagte bereits nein.«
Die Stimme hallte in der Kathedrale wider; sie klang im Gegensatz zu der leidenschaftlichen Bitte Bardos tödlich kalt. Rani wirbelte zu dem Klang herum, dankbar für einen Verbündeten in diesem wahnsinnigen Kampf, aber ihr Herz erstarrte, als sie die Sprecherin sah.
»Lass sie los, Bardo. Sie hat ihre Wahl getroffen.« Gildemeisterin Salina trat in den Teich flackernden Lichts neben Roats Altar.
»Salina!« Bardo zuckte schuldbewusst zusammen, als wären er und seine Schwester bei einem unmoralischen Stelldichein ertappt worden. »Was tust du hier?«
»Larindolian hat mich geschickt. Er glaubte nicht, dass du die Macht besäßest, sie in unsere Ränge zu ziehen.« Salina rümpfte die Nase und richtete die achatfarbenen Augen auf ihren früheren Lehrling. »Wir haben lange genug darauf gewartet, dass sie zu uns stößt. Wir werden das alles heute Abend beenden.«
»Was meint Ihr?« Noch während Rani mit der kalten Verkündigung kämpfte, manövrierte sich Bardo zwischen seine Schwester und die Gildemeisterin.
»Sie hatte ihre Chance, Bardo. Du hast ihr alles über uns erzählt – mehr als jeder andere Außenstehende seit der Existenz der Bruderschaft gehört hat –, und dennoch zögert sie. Wir dürfen das Risiko nicht eingehen. Wir dürfen die Leben von einhundert treuen Gefolgsleuten nicht wegen eines wimmernden Lehrlings gefährden, der sich weigert, Vernunftgründen zuzuhören.«
»Sie wird zuhören, Salina!« Rani hatte Bardo noch nie zuvor flehen hören. »Ich war noch nicht fertig mit meiner Erklärung.«
»Du hast ihr bereits mehr erzählt, als jeder wahre Gefolgsmann der Gerechtigkeit hören müsste. Tritt beiseite, Bardo.« Salina hob einen Arm, und ein Trupp Männer in Rüstungen trat aus den Schatten der Kathedrale hervor, wie ein tödlicher, mitternächtlicher Nebel.
»Gildemeisterin Salina«, begann Rani.
»Ruhe!«, fauchte die alte Frau, und Rani schwieg gehorsam. Bardo war jedoch nicht so befangen.
»Wir brauchen Rani, Salina. Du hast selbst für ihre Rekrutierung gestimmt. Du sagtest, dass wir einen Pilger in den Palast bringen müssten, dass wir einen Spion einschleusen müssten, der über jeden Verdacht erhaben ist.«
»Ahhhh«, seufzte Salina. »Das habe ich befürchtet.« Ihre Worte klangen gewichtig, wie Eisen, wie Tod. »Du bist für sie bereit, den Bund mit der Bruderschaft aufzugeben.«
»Ich tue nichts dergleichen!«, protestierte Bardo, während er Rani an seine Brust zog. Sie spürte gehärtetes Leder unter seiner Tunika, als hätte er diesen Hinterhalt in der Kathedrale befürchtet.
»Genug dieser Torheit!« Salina klatschte in die Hände, und
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