Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
Dinge?«
»Ich bin ein Prinz. Ich bin der Nächste in der Erblinie eines Thrones, um den Schakale kämpfen. Würde ich nicht vieles erfahren, wäre ich inzwischen tot.«
»Wer hat Euch das gesagt?«
»Viele Leute, auf viele verschiedene Arten. Du kanntest meinen Leibwächter.«
»Ich?«
»Ja. Sein Name war Dalarati.«
Rani erstarrte, unfähig, auf die in Hals Worten enthaltene Anschuldigung zu reagieren. Sie konnte Dalarati sehen, wie er auf dem Boden seines kleinen, ordentlichen Raumes lag, entsetzlich still, während sich sein Blut zu einer immer größer werdenden Lache ausbreitete. Aber das war lächerlich. Sie befand sich nicht mehr im Soldatenviertel. Sie riskierte ihr Leben nicht mehr als Unberührbaren-Mädchen. Sie war Marita Pilgerin. Hier. Jetzt. Im Palast. »Dalarati?«
»Ja«, bestätigte der Prinz, und seine grauen Augen durchdrangen sie. »Er war ein guter Mann, und treu. Er hat versucht, mir zu helfen, der Krone zu helfen und das Königreich vor Gefahren zu bewahren. Warum weinst du, Marita? Ranita? Rani? Ranimara? Rai?«
Rani wischte sich mit dem Handrücken die Tränen fort. »Ich weine nicht! Warum Tränen für einen Verräter vergießen?« Sie kämpfte gegen ihr hämmerndes Herz an und zwang sich, Hal in die Augen zu sehen. »Ich bin spät dran, Euer Hoheit. Ich bin eine Pilgerin. Ich soll beten.«
»Du begibst dich in Gefahr.«
»Ich gehe zur Kathedrale. Welche Gefahr könnte mich dort erwarten?«
»Könnte ich nur meinen Bruder Tuvashanoran fragen.«
»Ich trauere um Euren Bruder, Euer Hoheit, aber das ändert nichts. Ich muss zur Kathedrale gehen. Ich bin die Erste Pilgerin.«
»Sie benutzen dich.«
»Wir werden alle benutzt! Euer Vater benutzt Euch, um das Haus Jair zu sichern. Meine Gilde benutzte mich vor… vor meiner Pilgerreise.«
»Und dies?« Halaravilli hob den Schlangenarmreif an und ließ ihn vor Ranis Augen baumeln, als wolle er sie mit dem Aufflammen von Feuer auf Glas, von Feuer auf Kupfer hypnotisieren.
»Das wurde mir von jemand anderem gegeben. Es steht mir nicht zu, es abzunehmen oder fortzugeben.«
»Es ist ein böses Ding, Marita.«
»Dinge sind nicht böse, Euer Hoheit.« Die Erwiderung flog ihr zu, als flüstere Tole, der Gott der Weisheit, in ihr Ohr. »Menschen sind böse.«
»Und deine Bruderschaft? Nennst du sie gut, Marita?«
»Es ist nicht meine Bruderschaft, Euer Hoheit.« Sie hielt seinem Blick über das widerwärtige Metallgeflecht hinweg stand. »Versteht Ihr nicht? Ich gehöre nicht zu ihnen. Ich gehöre nirgendwohin. Ich habe keine Kaste. Ich habe keine Familie. Der einzige Mensch, den ich noch auf der Welt habe, ist mein Bruder Bardo. Haltet mich nicht von ihm fern.« Sie trat einen Schritt näher und streckte die Hand nach ihrem Armreif aus. »Bitte. Ihr wisst, wie es ist, einen Bruder zu verlieren. Zwingt mich nicht, dem letzten Menschen zu entsagen, den ich noch auf der Welt habe.«
Langsam, wie durch eine Macht außerhalb seiner Kontrolle verzaubert, reichte er ihr die gewundenen Schlangen zurück. »Der Tod ist die Strafe für alle Verräter«
Sie begegnete über das Kupfergeflecht hinweg erneut seinem Blick. »Ich bin keine Verräterin.«
Die Schlangen brannten auf ihrer Haut, als sie den Reif entgegen nahm. Sie konnte sich, trotz bester Absichten, nicht dazu bringen, ihn wieder um ihren Arm zu legen. Sie warf ihn, nach einem kurzen Moment des Zögerns, ins Feuer. Er fiel verdreht und dämmte gefährlich glitzernd die Glut, bevor die Flammen zu neuem Leben erwachten, als hätte sie Brennstoff aufs Feuer gegossen.
Das Metall hatte zu glühen begonnen, als sie sich zum Gehen wandte. Halaravilli mied ihren Blick, als sie die Tür des Häuschens öffnete, und sie schaute nicht zurück, während sie durch die Straßen der Stadt davonging, allein und ungeschützt.
Die Kathedrale war kalt, von feuchter Luft und abgestandenem Weihrauchduft erfüllt, was sie an den Aufbahrungsraum auf dem Kathedralengelände erinnerte. Sie bildete sich ein, singende Trauernde zu hören, während sie das Seitenschiff entlangschlich, und mehr als ein Mal hielt sie in einer Nische inne und wünschte, sie wüsste ihren zarithianischen Dolch sicher an ihrer Taille. Eine Handvoll Kerzen flackerten unheimlich auf den Altären rund um das riesige Steingebäude, und ihre Hand zitterte, als sie ihre Gabe an Roat, den Gott der Gerechtigkeit, hinzufügte.
Sie war gerade auf die Knie gesunken, als sie hinter sich Schritte und dann leise Worte hörte. »Ich dachte,
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