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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Seufzen. Es war wohl kaum ihr Fehler, dass sie zu spät kam – der Rat hätte sie früher berufen sollen.
    Bevor sie ihre Rechtfertigung im Geiste beenden konnte, drängte der Torwächter sie schon auf ein niedriges Gebäude zu, das ein gutes Stück von den anderen auf dem Gelände entfernt stand. »Da sind wir«, schnaufte er. »Verschwende nicht noch mehr von Pater Aldaniosins Zeit, Kind.« Unmittelbar bevor Rani durch den Eingang trat, hörte sie von einem Gebäude jenseits der Wiesen Gebete aufsteigen. Dort mussten die Pilger wohl beim Essen sitzen und mit einfacher Kost das Fasten des langen Tages brechen.
    Der tröstliche Singsang breitete sich aus wie warmer Balsam, umso tröstlicher aufgrund der traurigen Erinnerungen, welche die Worte aufrührten. Irgendwo in dem Speisesaal befanden sich Männer wie der mythische Vater, den sie erfunden hatte, um den Soldaten zu narren, der liebende, sorgende Thomas Pilgrim, der angeblich hektisch nach seiner Tochter gesucht hatte. Rani fragte sich nicht zum ersten Mal, was sie tun würde, wenn sie ihren Vater niemals wiedersähe, wenn sie die starken Arme ihrer Mutter niemals wieder um sich spürte, wenn sie sich mit ihren Brüdern und Schwestern niemals wieder über alberne Dinge wie die stritte, wer während eines eiligen Frühstücks den letzten Keks bekam.
    Ihre Familie hatte keinen Kontakt zu ihr aufnehmen können, als sie auf dem Marktplatz leicht zu finden gewesen wäre. Wie sollten sie sie dann finden, wenn sie sich in das Leben eines umherschleichenden Spions zurückzog, der Tuvashanorans Mörder zu finden versuchte? Könnten sie sie überhaupt suchen, wo sie doch in König Shanoranvillis Verliesen gefangen waren?
    Alle diese Gedanken – und weitere selbstmitleidige Worte – überschwemmten Rani, während die fernen Pilger ihren Singsang beendeten und sich vermutlich zu Tisch begaben, um eine aus kräftigem Brot und dickem Eintopf bestehende Mahlzeit einzunehmen. Eine Brise fegte über den Hof und erinnerte Rani daran, dass sie nicht nur eine Waise, sondern auch hungrig war. Ihr Leben als Nardas gut ernährte Dienerin wurde mit jedem Moment reizvoller. Der Gedanke entrang ihren Lungen ein schweres Seufzen.
    »Endlich!«, dröhnte eine Stimme aus den Schatten des nächststehenden Gebäudes, das in der Dunkelheit gewaltig schien, und Rani war so erschrocken, dass sie ihr geschnitztes Kästchen beinahe fallen gelassen hätte.
    »P- Pater Aldaniosin?«
    »Natürlich.« Die Stimme des Mannes klang vor Verärgerung scharf. »Wer sonst wäre töricht genug, hier in der Dunkelheit zu stehen und auf ein säumiges Kind zu warten? Komm rein, Mädchen. Wenn der Weihrauch versickert, werden wir in der Nacht nur noch länger hier sein.«
    Als Rani das kleine Nebengebäude betrat, trafen sie der Klang sowie der Geruch und der Anblick des Todes unvorbereitet.
    Der Klang ertönte von einem schwarz gewandeten Trio, das am entgegengesetzten Ende des Raumes kniete. Ihre Stimmen stiegen und fielen mit vertrauten Silben, intonierten immer wieder die Anrufung der Götter und schlossen in jede Anrufung den Namen eines weiteren mit ein. Die Worte purzelten in Ranis Ohren durcheinander, der eilige Wortlaut wurde nur vom Klicken der Perlen begrenzt, wenn die Dekaden der Gebete beendet, jede Runde von Anrufungen gemessen und in ordentliche Zehnerreihen unterteilt waren.
    Der Geruch erinnerte Rani an ihren letzten Besuch bei der uralten Mutter ihres Vaters, bevor die alte Händlerin ihren eigenen Weg zur Anrufung der Götter fand. Der schwere Duft von Rosenöl und Weihrauch konnte eine unterschwellige, Übelkeit erregende Süßlichkeit nicht überdecken, und nach einem explosionsartigen Niesen atmete Rani nur noch flach durch den Mund.
    Sie deutete die Szene vor sich, noch während sie auf der Schwelle stand und zögerte, den rauchigen Raum zu betreten. Drei Steintische erhoben sich über den Boden, massiv und standfest, wie ungestalte Baumstämme. Der am weitesten rechts stehende Tisch war gnädigerweise leer, und seine glatte Oberfläche reflektierte das flackernde Fackellicht und die stetigen Töne der drei singenden Andächtigen. Die beiden anderen Tische trugen jedoch grausige Lasten.
    Auf der mittleren Plattform, der höchsten Oberfläche, lag Tuvashanorans Leichnam. Rani erkannte die königliche Gestalt, obwohl ein Verband seine Stirn umgab und sein rechtes Auge von in Kräuter getränktem Leinen bedeckt war. Sie sank unwillkürlich auf die Knie, beugte den Kopf und vollführte ein

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