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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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knapp wie möglich, wollte verzweifelt verhindern, das Kästchen öffnen zu müssen, das sie zur Kathedrale getragen hatte.
    Das Rezitieren der Händler dauerte so lange, wie Rani brauchte, um sich die Beine des Adligen hinaufzuarbeiten. Sie stellte erleichtert fest, dass Aldaniosin den Prinzen bereits mit einem sittsamen Lendentuch bedeckt hatte, und sie zögerte kaum, das Leichentuch um den glatten Bauch Tuvashanorans zu wickeln, über die zu erwartenden Narben eines Kriegerführers. Sie konzentrierte den Blick auf den engen Bereich marmorner Haut unmittelbar unter ihren Fingern. Sie wollte an diesen kalten Körper nicht als an einen unversehrten Menschen denken. Sie wollte nicht an den lebenden, atmenden Prinzen erinnert werden, den sie in den Tod gerufen hatte. Ihr Gewissen plagte sie, während sie vorgab, den Binden Ladanum beizufügen, spärlichste Schichten Kräuter auf das schneeweiße Tuch aufzutragen. Sie wischte ihre grün befleckten Finger häufig an dem Leinen ab, um den Schutz noch zu verstärken.
    Die Andächtigen waren gerade zu den Dunklen Göttern übergegangen – die furchtbaren, notwendigen Herren der Pest und der Krankheit und des Übels –, als Pater Aldaniosin Tuvashanoran auf den Rücken drehte und unter den schweren Rumpf griff, um den letzten schützenden Stoff zu entfernen, damit Rani ihre Arbeit weiterführen konnte. Sie hatte die linke Hand voller duftender Myrrhe und die rechte in das Bindetuch verschränkt. Die Andächtigen atmeten tief ein, bevor sie die nächste Dekade ihres Gebets begannen, und Rani begann mit ihnen: »Heil dir, Tarn, Gott des Todes…«, während sie den unbedeckten Körper vor sich betrachtete und den Blick zum nächsten Bereich ihrer Bemühungen wandern ließ.
    Pater Aldaniosin hatte Tuvashanorans Arme über seiner Marmorbrust gekreuzt und die Finger in klammer Gebetshaltung gespreizt. Rani registrierte kaum die verräterische Verfärbung um die Nagelbetten, ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihre Arbeit notwendig und längst überfällig war.
    Rani betrachtete eher die muskulösen Arme des Prinzen, die einst straffe Haut, die nun erschlafft war. Pater Aldaniosin ergriff den Körper fester, und Rani erkannte, dass sie sich nicht eingebildet hatte, was sie zunächst vermutet hatte.
    Rund um Tuvashanorans rechten Bizeps zog sich ein Band aus vier indigofarbenen Schlangen, die sich umeinanderwanden und Rani durch stecknadelartige, karmesinrote Augen anstarrten.

7

    Rani vollendete ihre Arbeit mechanisch, verteilte das kostbare Ladanum, als wäre es ihr eigenes Lebensblut, Sie blinzelte stark, um die Bilder zu vertreiben, die durch ihre Gedanken zogen. Zuerst Bardo, dann Morada, nun Tuvashanoran – und alle trugen sie die gewundenen Schlangen. Was bedeutete die seltsame Tätowierung? Was konnte Bardo Händler, Ausbilderin Morada, den gerissenen Adligen Larindolian und nun den edelsten aller Männer verbinden? Wie hatte Larindolian seinen Kreis genannt? Die Bruderschaft der Gerechtigkeit.
    Pater Aldaniosin missverstand Ranis Blinzeln. Er dachte, seine Gehilfin sei von ihrer Reise mit der Myrrhe zur Stadt erschöpft. Er schnalzte, angesichts dieses schwachen Kindes, das so unfähig war, den ruhmreichen Anforderungen der Tausend Götter standzuhalten, tadelnd mit der Zunge. Seine Missbilligung lenkte ihn so weit ab, dass Rani die letzte Handvoll Myrrhe aus dem Kästchen des Priesters nehmen und dabei vorgeben konnte, sie entnähme das kostbare Kraut ihrem eigenen geschnitzten Holzkästchen. Rani betete inbrünstig zu allen Tausend Göttern, dass Pater Aldaniosin das Rascheln des Goldpapiers nicht hören würde, als sie das Händlerkästchen wieder schloss.
    Zumindest die Götter standen Rani bei, und sie konnte die Entdeckung vermeiden und das Ladanum so weit strecken, dass sie Prinz Tuvashanorans Leichnam zu Ende einbalsamieren konnte. Schließlich nahm Rani, die weder sprechen noch schweigen mochte, ihr Zedernholzkästchen hoch. Ihre schauerliche Aufgabe war beendet, und sie war entschlossen, den Bruder Cellerar zu finden und mit den Priestern abzuschließen.
    Pater Aldaniosin, der sich ihrer verkannten Identität noch immer nicht bewusst war, wies Rani zu den Küchen und zu Bruder Hospitalar, und sie schlurfte über den Hof. Kurz darauf befand sich Rani in dem niedrigen Refektorium, vom Schimmern eines Binsenlichts, dem Duft reichlicher Nahrung und der einträchtigen guten Laune der Bußfertigen angezogen.
    Als Rani auf der Schwelle zögerte, schaute eine der

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