Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
für eine Adligenfamilie gemacht.«
Garadolo inspizierte die Handschuhe im Schein der Lampe. Rani hatte sie sehr gut gesäubert, und ihm schien zu gefallen, was er sah. »Sie sollten ihren Zweck erfüllen. Was meinst du, was wir jetzt essen sollen?«
»Wie könnt Ihr essen, wenn Ihr mir etwas stehlen müsst, um einen Boten zu bezahlen?«
»Dein Bote ist außer der Reihe, Mädchen. Essen ist das, was Soldaten tun, jeden Tag und jede Nacht. Komm schon.«
Rani war so hungrig, dass sie den Streit abbrach. Sie versuchte, sich die Windungen und Biegungen auf ihrem Weg zu merken, und es gelang ihr, zumindest eine der Losungen aufzuschnappen, als sie einen Kontrollpunkt passierten. Bald fand sie sich in der Messe der Soldaten wieder und aß aus einem ausgehöhlten Brotlaib Eintopf. Sie spülte die Fleischstücke mit Ale hinunter und tat ihr Bestes, die Tatsache zu ignorieren, dass sie den Krug mit ihrem Wächter teilen musste.
Garadolo war darauf erpicht, alle wissen zu lassen, dass Rani seine Gefährtin für den Abend war. Er legte so häufig eine schwere Pranke auf ihre Schulter, wie er damit durchzukommen glaubte. Die grauhaarigen Männer grinsten ihren Kameraden anzüglich an, und Rani wünschte, sie könnte auf der anderen Seite des Raumes sitzen, wo die Männer ruhiger, ernster waren, obwohl sich auch viele von ihnen mit weiblicher Begleitung zerstreuten.
Als einer von Garadolos Kameraden eine besonders anschauliche Vermutung äußerte, wurde Rani die Notwendigkeit zu reagieren durch das völlig unerwartete Eintreffen von Dalarati und Shar erspart. Der gut aussehende, junge Soldat sah sich in dem Raum um und schien sich seinen ruhigen, gesitteten Kameraden auf der anderen Seite des Raumes anschließen zu wollen. Dann fiel sein Blick jedoch auf Rani, und er warf einen weiteren, offen angewiderten Blick auf Garadolo.
Dalarati verzog das Gesicht, beugte sich vor und flüsterte Shar etwas ins Ohr. Das Unberührbaren-Mädchen wollte protestieren, aber Dalarati legte mit beruhigender, flüchtiger Zärtlichkeit eine Handfläche an ihre Wange. Shar wirkte dennoch mürrisch, als Dalarati durch den Raum auf Rani zuging. Dalarati und Shar saßen sonst offensichtlich auf der anderen Seite des Raumes.
»N’Abend, Rai«, sagte der Soldat nur, während er sich rittlings auf eine Bank setzte. Shar setzte sich neben ihn und vergaß ihr Missfallen offensichtlich für einen Moment, als ihr junger Mann sie mit Fleischbrocken von seinem Schneidebrett fütterte. Dalarati hielt ihr auch seinen Krug an die Lippen, damit sie leicht an seinem Ale nippen konnte. Rani spürte heftige Eifersucht, auch wenn sie für die Gesellschaft der beiden dankbar war.
Das Essen endete allmählich, während Soldaten in Begleitung zur Tür eilten. Rani verzögerte den Aufbruch so lange wie möglich und verwickelte eine zutiefst uninteressierte Shar in eine Diskussion über Überfälle im Adligenviertel. Shar ließ ihrer neuen Freundin ihren Willen und gab sogar vor, die gelegentlichen Fehler bei Ranis Akzent nicht zu bemerken. Aber das andere Mädchen lehnte sich an Dalarati und hielt sich fest, indem sie die Finger viel sagend durch seinen Gürtel schob.
Dalarati konnte diese Aufmerksamkeit nicht lange ignorieren und wandte sich schließlich mit breitem Lächeln Shar zu. »Wollen wir nach Hause gehen? Gut – wir haben noch eine Stunde Zeit, bevor die Nachtwache beginnt.« Inmitten des Chors gutmütiger Vorschläge, wie diese Zeit zu verbringen sei, gelang es Dalarati, sich zu erheben und seine sich an ihn klammernde Begleiterin zur Tür zu führen. Die kalte Nachtluft erinnerte ihn jedoch anscheinend daran, dass Shar ihr Umhängetuch am Tisch der Soldaten vergessen hatte.
Rani reichte ihm das Kleidungsstück und streifte dabei absichtlich seine Finger. »Danke für Eure Gesellschaft«, brachte sie hervor, während sie schwer gegen ihr hämmerndes Herz anschlucken musste.
»Das Vergnügen war ganz meinerseits, meine Dame.« Er verbeugte sich spöttisch und griff gleichzeitig in den kleinen Beutel an seiner Taille. »Kauf dir morgen früh ein süßes Mandelbrötchen und denk an Shar und mich.« Rani fing die Münze auf und unterdrückte ein Keuchen, und dann war der fesche Soldat fort.
Garadolo beschloss kurz darauf, ebenfalls zu gehen, und als sie sein Quartier betraten, brachte Rani ihre Habe sofort in ihre Ecke. Garadolo lachte rau, und Rani musste ihre Stimme erheben, um gehört zu werden. »Ihr werdet Bardo morgen sehen, oder?«
Der Soldat
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