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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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sie an diesem Tag mit Wohlwollen betrachten.
    Die Suppe war jedoch, trotz Mairs Hilfe, bereits alle, als Rani in die vordere Reihe kam. Sie war bitter enttäuscht und wollte sich abwenden. Bevor sie sich jedoch von den rauen Horden zurückziehen konnte, merkte sie überrascht, wie ihr ein ganzer Laib Brot in die stoffumwickelten Hände gedrückt wurde. Sie schaute zu dem Spender hoch, als wollte sie fragen, ob es ein Versehen war, und fand sich Shea gegenüber. Die alte Sonne brachte ein mühsames Lächeln zu Stande. Sie sprach mit der erschöpften seelischen Kraft einer Frau, welche die Niederlage nicht erkennen kann, die Verlust nicht von den grausamen Schlägen des alltäglichen Lebens unterscheiden kann. »Nimm nur, Rani Händlerin. Brot, um dir über die Zeit bis zur Nacht hinwegzuhelfen.«
    Die alte Frau war mit den Jungen vom Schwanenschloss nach Norden gekommen. Sie war mit Davin und Mon und Crestman und den Übrigen gereist. Sie schien es zu ihrer Aufgabe gemacht zu haben, über die Kinder in der Palisade zu wachen, jede Mahlzeit zusammen mit den grimmigen Küchenmädchen aus dem Lager der Söldner zu servieren. Shea schien ihre öde Umgebung nicht zu beachten. Rani hatte mehr als einmal beobachtet, wie sie eines der kleineren Kinder auf den Arm nahm, ein verängstigtes Mädchen tröstete oder einem Jungen gut zuredete, der auf dem Eis umgeknickt war. Shea war die Einzige, die mit den Kindern sprach, die Einzige, die zu erkennen schien, dass das Kleine Heer Fürsorge und Aufmerksamkeit über die grundsätzliche Versorgung hinaus brauchte.
    Rani murmelte einen Dank, nahm das Brot und verließ die Reihe, damit sie in Ruhe essen konnte. Mair war damit beschäftigt, einen Streit zwischen zwei der neuen Mädchen zu schlichten, und teilte deren Brot annähernd gerecht.
    Während Rani beobachtete, wie Shea die kleinsten Kinder lächelnd betrachtete, die Schwächsten, die Rani und Mair auf dem Fuß gefolgt waren, erkannte sie, dass ihr die alte Frau vielleicht helfen könnte. Die Sonne könnte Rani und Mair zur Flucht verhelfen. Sie verbrachte ihre Nächte immerhin nicht in der Palisade. Sie könnte die Amanthianer alarmieren, sie wissen lassen, was wirklich hinter der Wand aus Baumstämmen geschah. Sie könnte Bogen und Pfeile hereinschmuggeln, Waffen, die dem beschränkten Kleinen Heer verboten waren. Was wäre nötig, um die Sonne davon zu überzeugen, es zu versuchen?
    »Sie wird es nicht tun.« Crestman! Bei all den Tausend Göttern, der Hauptmann schien ständig aus dem Nichts aufzutauchen. Rani zuckte schuldbewusst zusammen und bedeckte die Reste ihres Brotes mit den Händen, bevor sie Crestman ins Gesicht sah. Er betrachtete sie aufmerksam und schüttelte den Kopf, als er seufzend sagte: »Wenn du sie fragst, wirst du sie nur ängstigen und dich verraten.« Irritiert bemerkte sie Crestmans vertrauliche Anrede.
    »Wen fragen?«, erwiderte Rani streitlustig. »Und was habe ich zu verraten?«
    »Du willst hier ebenso dringend fort wie wir alle.«
    »Ihr klingt nicht sehr nach einem treuen Hauptmann des Kleinen Heers.« Rani hatte schon mehrmals mit Crestman gesprochen, seit sie in das Lager gebracht worden waren, und alle ihre Unterhaltungen endeten gleich: Sie wollte mit ihm streiten, ihm die Torheit seiner Ergebenheit verständlich machen. Wenn sie neben ihm stand, konnte sie nicht umhin, sich seine entsetzlichen Bekenntnisse vorzustellen, seinen gequälten Bericht von der Rekrutierung fürs Kleine Heer. Sie erinnerte sich an seine Worte und dann an die wütende Hitze seiner Lippen auf ihren, die glühende Berührung seiner Finger durch ihren Ärmel, als Bashi sie entdeckt hatte.
    Nun zitterte sie im Schatten der Palisade, und Crestman schaute mit sorgenvoller Miene zu ihr herab. Er zögerte nur einen Moment und reichte ihr dann seine lederne Schale. Es war noch Suppe darin, Brühe, die sowohl mit der Wärme als auch mit ihrem Duft lockte. Rani wollte ablehnen, wollte sie dem Jungen wieder zuschieben, aber ihre Finger schlossen sich um das Leder, als hätten sie einen eigenen Willen. Während sie die warme, salzige Flüssigkeit trank, bemühte sie sich, nicht daran zu denken, dass Crestmans Lippen die Schale bereits berührt hatten.
    Crestman deutete mit dem Kopf auf die Sonnenfrau. »Ich sage nur, dass du nicht auf Shea bauen solltest. Sie kann dir nur einen Kanten Brot sichern. Sie hält uns alle für ihre Kinder. Sie ist eine gute Sonne, aber sie ist nicht hierfür gemacht. Dies ist zu viel für

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