Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
schwer, und ihr Kopf sank nach vorn. Sie wachte zweimal ruckartig auf und bemerkte beide Male unwillkürlich, dass die Löwenkinder am Rand der Lichtung standen. Natürlich hatten die drei jungen Soldaten in diesen beschränkten Zeiten keine richtigen Waffen, aber sie hielten robuste Stöcke umfasst und wirkten wachsam.
Einige Zeit später erwachte Shea aus einem tieferen Schlaf, von einem Rascheln aufgeschreckt. Sie wusste sofort, dass etwas absolut nicht stimmte. Ein junger Mann stand vor ihr, in zerrissener azurblauer Kleidung. Blau. Die Farbe von König Sin Hazars Heer.
Als der junge Mann sah, dass Shea wach war, sprang er vor und legte seinen kalten Dolch an die erschlaffte Haut ihrer Kehle. Sein langes Haar war nach hinten genommen und zu einem festen Zopf geflochten, wodurch die Haut um seine Augen gestrafft und sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrt wurde. Eine scheußliche Narbe brannte oberhalb seiner linken Wange.
Einen kurzen Traummoment dachte Shea, sie betrachte ihren eigenen Sohn. »Pom.« Shea sprach sanft, als befürchtete sie, die schlafenden Kinder zu wecken. Dieses Kind hatte dasselbe glatte Haar, dieselben nussbraunen Augen. Er hatte denselben unbeholfenen Körper der Jugend, die ausgewachsenen Knochen, die für den Körper noch zu groß wirkten. Fünfzehn Jahre alt, dachte sie. Höchstens fünfzehn.
»Ruhe, alte Vettel!« Der Junge schluckte seine Worte grollend hinunter, und Shea erwachte vollends, als sie sich daran erinnerte, dass sie mit ihren Waisen allein auf der Lichtung war. Als sie sich daran erinnerte, dass Pom erwachsen war. Erwachsen und fort und tot.
Dor regte sich auf Sheas Schoß, schüttelte sich wie ein kleiner Hund wach. Als er die Augen öffnete, sah er den Dolch an Sheas Kehle und schrie auf, womit er die übrigen Sonnen weckte.
»Still, meine Kleinen«, besänftigte Shea sie. »Dieser Besucher will uns keinen Schaden zufügen.«
»Ich werde dir deinen Schaden zeigen!«, drohte der junge Mann und trat zurück, um mit seiner Klinge umherzuwedeln. »Ich werde euch allen die Bedeutung des Wortes zeigen!«
»Unsinn.« Shea setzte Dor beiseite und erhob sich mühsam. Sie hätte sich so gerne nach den Löwen umgesehen, nach ihren Beschützern. Was konnte mit den Wächtern geschehen sein? Hatte Hartley zugelassen, dass sie eingeschlafen waren? Nun, sie konnte nur versuchen, für die Löwen Zeit zu schinden, damit sie die Gefahr erkannten, damit sie die Himmelskinder retteten. Shea streckte eine Hand beruhigend zu der narbigen Wange des Krieger-Kindes aus.
Ihr Herz zog sich zusammen, als sie erkannte, dass ihm die Tätowierung seines Geburtsrechts aus dem Gesicht geschnitten worden war. Sie trauerte um das Himmelskind, das er einst gewesen war. Sie hatte Geschichten über das Kleine Heer des Königs gehört. Sie wusste, dass König Sin Hazar alle Arten von Himmelskindern nahm und sie in Kämpfer verwandelte. Ihre Tätowierungen fortschnitt, sie in seinen Lagern ausbildete. Das Kleine Heer war ein Gräuel, ein Verdrehen der Himmelszeichen und der Schicksale, nach denen die Menschen leben sollten.
»Was warst du, bevor der Krieg kam, Junge?«
»Ich bin jetzt ein Soldat, ein Soldat in den Truppen König Sin Hazars.«
»Ja«, antwortete Shea ebenso ernst, wie sie Poms tapfere Erklärungen beantwortet hatte, als er davongegangen war, um sich dem König anzuschließen. »Das sehe ich. Aber welches Zeichen hat der König aus deinem Gesicht geschnitten?« Der junge Mann sah sie hasserfüllt an, und sie konnte in ihrer Stimme nur mühsam die Angst und den Abscheu vor einem König unterdrücken, der ein Kind verstümmeln konnte, vor einem Kind, das in einem solchen System kämpfen würde. »Es kann keine Schwanenschwinge gewesen sein – dafür bist du zu hart. Ich sehe dich auch nicht mit dem Eulenzeichen, keine tiefschürfenden Gedanken für dich. Vielleicht die Sonne, aber dann würdest du dich hüten, eine einsame Frau und ihre Kinder zu bekämpfen. Also wette ich, es ist der Löwe. Ich wette, du bist ein Löwenkind.«
Das Messer des Jungen schwankte, während er zuhörte, und sie sah Zugeständnis sich auf seinem Gesicht ausbreiten. Sie erinnerte sich, ihren Pom beruhigt zu haben, als er anfänglich seinen Platz in der Welt erfuhr, als er anfänglich lernte, dass es sein Schicksal war zu kämpfen, Krieg zu führen. Pom war nur widerwillig ins Dorf gegangen, um mit den wenigen alten Kriegern zu arbeiten, die während des Aufstands zu Hause geblieben waren, die geblieben
Weitere Kostenlose Bücher