Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
seiner Maske aus schwarzem Ruß, der auf Gesicht und Lippen verschmiert war. »Sin Hazar verlangt unser vollkommenes Vertrauen. Wenn wir einen Befehl nicht verstehen, dann darum, weil wir nur Soldaten sind, weil wir kein König sind. Lang lebe König Sin Hazar!«
»Lang lebe König Sin Hazar!«, erklangen die Rufe der Jungen. Monnys Stimme erschallte schrill und durchdringend. Rani schluckte schwer, und ihr Herz hämmerte.
Crestman trat über den rothaarigen Jungen hinweg und stellte sich Varner gegenüber. Der besiegte Junge sah seinen Anführer einen Moment finster an, senkte den Blick aber dann. Crestman nahm die Hand des bezwungenen Soldaten und legte sie um sein eigenes gebogenes Schwert. Er wartete, bis Varner die Waffe angenommen hatte, bis der Junge seinem Blick begegnet war.
»Schere ihn.«
»Was?«, fragte Varner mit unangemessenem Lachen.
»Schere ihn.«
Varner lachte erneut und trat zu dem festgehaltenen Jungen. Er kniete sich neben Monny, schüttelte den Kopf und hob die gebogene Klinge dann zu den Locken des Kindes. »Im Namen Sin Hazars«, begann er, und Monny lächelte ebenfalls.
»Nicht seinen Kopf«, unterbrach Crestman.
»Nicht…«
»Der König hat genug Soldaten. Er braucht mehr Nachtigallen, die ihm etwas vorsingen. Um seinen Geist zu besänftigen, während er die nächste Schlacht plant.« Monny erstarrte unter den Händen seiner Gefangenenwärter, während das Lächeln unpassenderweise auf seiner schmutzigen Haut ruhte. »Kastriere den Jungen.«
Varner starrte Crestman an. »Ihr seid verrückt.«
»Ich bin dein Hauptmann, Soldat! Ich bin auf diesem Schlachtfeld die Stimme des Königs!«
»Aber er ist noch ein Junge! Er ist zu klein, um überhaupt im Kleinen Heer zu sein!«
»Er hat seine Tapferkeit bewiesen, und seine Bereitschaft, den Befehlen seines Königs zu folgen. Willst du ihm das mit deiner Feigheit nehmen?«
»Ihr wisst nicht, was Ihr fordert!«
»Ich weiß es«, antwortete Crestman unbewegt. »Glaub mir, Soldat, ich weiß es.«
Rani erschauderte bei den grimmigen Worten, bei dem hinter dieser Feststellung verborgenen Eingeständnis. Crestman hatte seiner eigenen Prüfung gegenübergestanden. Irgendwann in der Vergangenheit hatte er eine Klinge oder einen Pfeil oder einen Strang in der Hand gehalten. Hauptmann Crestman hatte die Herausforderung bereits hinter sich, die er seinen Männern nun aufbürdete.
Varners Gesicht war auch ohne schwarze Farbe zu einer Maske verzerrt, sein Mund zu einem gähnenden Loch geöffnet, seine gebrochene Nase jenseits des Wiedererkennens zerschmettert. »Zwingt mich nicht dazu«, flüsterte er. Rani konnte seine Worte über das Knistern des Feuers, über das Murmeln des wartenden Kleinen Heers hinweg, kaum verstehen.
» Ich zwinge dich zu nichts, Soldat. Der König zwingt dich. Der König befiehlt es dir. Im Namen Sin Hazars!«
Wie Crestman es geplant haben musste, nahmen die Jungen den Ruf auf, stampften mit den Füßen auf den Boden, riefen den Namen des Königs, so laut sie konnten. Rani spürte, wie der Hang unter ihnen erbebte.
Crestman trat zurück, vom Feuer und von Monny fort. Varner wankte auf den festgehaltenen Jungen zu und sank schwer auf die Knie. Crestmans treue Soldaten zuckten nicht zurück. Sie hielten Monny weiterhin fest. Varners Hände zitterten, und jetzt schimmerten Tränen auf seinen Wangen, gemischt mit der schleimigen Blutspur aus seiner Nase. Er hob Crestmans Waffe an, bot sie den Tausend Göttern wie ein Gebet dar, und dann streckte er die freie Hand aus, ergriff Monnys Unterwäsche und schnitt mit einer einzigen Bewegung durch den Stoff.
Monny keuchte wie ein gefangenes Tier, der Atem drang pfeifend durch seine Zähne. Alle Jungen im Kleinen Heer sahen Varner an, beobachteten, wie der bezwungene Soldat eine Klinge gegen seinen eigenen Bruder erhob.
Die Jungen beobachteten Varner, aber Rani beobachtete Crestman. Sie sah, wie der Hauptmann seine Männer taxierte. Sie sah ihn dem Weg seines Schwertes folgen, das über dem Opferkind im Feuerschein zuckte. Sie sah ihn Treue und Vertrauen abwägen. Und sie sah, wie er in der mitternächtlichen Luft nach Atem rang.
»Halt!« Das Wort brach aus Crestmans Mund hervor wie die Steinmauern, die aufs Feld gestürzt waren. »Im Namen König Sin Hazars, halte ein!«
Varner knickte ein wie eine gerissene Bogensehne, fiel über Monnys Brust.
Das Schluchzen des Soldaten erschütterte seinen Körper. Er rang nach Luft wie ein Ertrinkender. Monny versuchte nicht einmal,
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