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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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mich geehrt, dass ich auf diese geringfügige Weise dienlich sein kann, indem ich Wache halte, während Ihr um meine Freiheit und den Ruhm Eures Königreiches verhandelt. Im Namen all der Tausend Götter verbleibe ich Eure höchst treue Untertanin.«
    Der Verfasser des Briefes hatte sich sehr bemüht, Ranis Tonfall einzufangen, ihr charakteristisches Stolpern über höfische Formulierungen. Wer auch immer den Brief geschrieben hatte, wusste, dass Rani Hal eher als Freund und Gefährten denn als ihren Lehnsherrn ansprechen würde. Und der Schreiber hatte von der Gefolgschaft gewusst, zumindest von dem Märtyrer Dalarati. Aber der Schreiber hatte zwei wichtige Tatsachen übersehen.
    Erstens war Dalarati nicht das erste Mitglied der Gefolgschaft gewesen, das von einem Händler ermordet worden war. Den Schlachten der Gefolgschaft lag eine dunklere Geschichte zu Grunde, eine Geschichte, die Rani fast zerbrochen hatte. Ihr eigener Bruder, Bardo, hatte ein Mitglied der Gefolgschaft des Jair ermordet, lange bevor Rani je von der Existenz des Geheimkaders erfahren hatte. Bardo hatte Treen hingerichtet, eine Unberührbaren-Frau.
    Selbst wenn Rani Hals Frage irgendwie missdeutet hätte, selbst wenn sie nicht begriffen hätte, dass er ihr Dalaratis Tod niemals vorwerfen würde, wusste Hal doch, dass Rani den Brief nicht geschrieben hatte, den er in Händen hielt. Denn Rani würde sich niemals Ranita Glasmalerin nennen, nicht aus eigenem Antrieb. Sie hatte geschworen, die Glasmalergilde wieder aufzubauen, aber sie würde sich nicht bei ihrem Gildenamen nennen, bis sie ein neues Haus errichtet hätte, bis sie neue Meister und Gesellen gefunden hätte, um die Gilde wieder aufzubauen, die so ungerecht vernichtet worden war. »Ranita Glasmalerin« hätte niemals aus Amanthia geschrieben.
    Und so konnte Hal nur schließen, dass Rani tot war. Vielleicht von Sin Hazars Hand ermordet. Vielleicht Verletzungen erlegen, die sie erlitten hatte, als Bashi sie nach Norden verschleppte. Ein unschuldiges Opfer einer Grippe – welchen Unterschied machte das? Rani war tot, und Sin Hazar wollte diese Tatsache verbergen. Halte Hal gefangen. Alles Leben vergangen.
    Hal lehnte den Kopf an die Steinlaibung, ließ die raue Wand über seine Haut schaben. Rani hatte ihm hier ihre Treue geschworen. Sie hatte sich entschieden, sich ihm anzuschließen, dem Entsetzen den Rücken zu kehren, dessen sie Zeugin geworden war. Sie hatte sich ihm hier, im Kinderzimmer, anvertraut. Und er hatte dieses Vertrauen verraten. Er hatte zugelassen, dass Bashi sie fortschaffen konnte. Er hatte zugelassen, dass sie gewaltsam in das Land eines Feindes gebracht werden konnte.
    Er hatte sie verloren – Schwester, Pilgerin, Gefährtin, tot. Mitternachtszweifel drehten sich in seinem Kopf, kälter als die vom Hof heraufwirbelnde Luft.
    »Euer Majestät!« Hal zuckte bei dem Ruf zusammen und fuhr zu seinem Knappen herum, der nur eine Armlänge entfernt stand.
    »Farsobalinti?«
    Der Junge verbeugte sich beim Klang seines Namens und verzog das Gesicht, als störe er seinen König nur ungern. »Es tut mir leid, Euer Majestät. Ich hätte Euch nicht erneut angerufen, wenn Ihr mir nicht befohlen hättet, Euch zu holen, wenn der Rat versammelt ist.«
    »Mich erneut angerufen?«
    »Ja, Euer Majestät. Ich sprach Euch von der Tür aus an, und noch einmal von der anderen Seite des Raumes aus.« Der Knappe betrachtete unsicher seinen Lehnsherrn und das Pergament, das Hal in der Hand zerdrückt hatte. »Vielleicht habt Ihr Euch erkältet, Euer Majestät. Ich werde die Glaser rufen, damit sie dieses Fenster reparieren. Das Kinderzimmer sollte sicher sein.«
    Die Glaser. Die Glasergilde würde nun nie wiederhergestellt werden. Hal und seine Gefolgsleute würden sich auf Glasmaler verlassen müssen, die in fremden Ländern angeheuert wurden, auf Handwerker, die in ein Land gelockt wurden, das für ihresgleichen nur Tod und Unehre bedeutet hatte.
    »Ja, Farso.« Er benutzte den wohlwollenden Spitznamen des Knappen. Kein Grund, den Jungen zu erschrecken. Kein Grund, Farso schon erkennen zu lassen, dass es um sein Leben ginge, dass bald Heere marschieren würden, dass Sin Hazar noch skrupelloser war, als Hal befürchtet hatte. Dennoch war Hals Kehle wie zugeschnürt, als er flüsterte: »Das Kinderzimmer sollte ein sicherer Ort sein.«
    Der Knappe wartete eine lange Minute, während er seinen Lehnsherrn mit offensichtlicher Besorgnis ansah. »Äh, Euer Majestät. Euer Rat erwartet Euch. Ihr

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