Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Hal deutete auf die Käfige und rang um Worte. »Als wir ankamen, hatte die Spinnengilde noch eine gewisse Macht – sie hatten ihre Gesellin gerade mit dem jüngsten Sohn des Königs verheiratet. Jetzt setzt sich jedoch mehr und mehr die Gehörnte Hirschkuh durch. Ich denke, es hat – zumindest teilweise – mit dem Kleinen Heer zu tun, mit dem Vertrauen der Sklaven in die Tausend Götter. Teheboth will sich von den Sklaven distanzieren, von allen niederen Dingen, und so nähert er sich der Hirschkuh und ihren hölzernen Symbolen noch stärker an. Als Ergebnis fällt der Preis der Seide Tag für Tag weiter.«
»Ja.« Rani nickte, und er konnte kluge Berechnung hinter ihren Augen erkennen. »Ich habe die Märkte natürlich gesehen. Ich habe die Stände gesehen, die Baumwolle und Leinen verkaufen.«
»Es gab eine Zeit, in der Teheboth es nicht gewagt hätte, der Spinnengilde zu trotzen. Aber nun? Mit Spinnen in seinem eigenen Palast? Und auch Riberrybäumen?«
Er sah zu, wie Rani die Bedrohung ermaß. »Ihr glaubt also, er wird sie für sich nehmen?«, fragte sie. »Er wird sich der Gilde entgegenstellen, um sie für seinen eigenen Aufstieg zu vernichten?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich glaube, Teheboth will noch immer, dass ich Berylina heirate. Er möchte sie aus Liantine wegschaffen.«
»Dann werdet Ihr die Prinzessin und ihre Mitgift nehmen, und wir werden unmittelbar nach der Hochzeit nach Morenia zurückkehren.«
»Nur dass dann Mareka handeln könnte. Sie könnte Liantine die Spinnen anbieten…« Hal hielt inne, um sich zu räuspern. »… aus Trotz, wenn Berylina und ich verheiratet sind.«
Aus Trotz. Da. Das sollte als Geständnis reichen. Wenn Rani auch nur halbwegs die Unterhändlerin war, die sie zu sein behauptete, sollte sie es begreifen. Sie sollte erkennen, dass Mareka Macht über ihn hatte.
Er hielt den Atem an, um zu sehen, wie lange es dauerte, bis sie seine Worte aufnahm und ihre wahre Bedeutung erfasste. Die Gedankengänge ihres Händlerverstandes waren fast sichtbar, als sie von den Octolariskäfigen zu Hal blickte, als ihr Blick sein Innerstes durchsuchte. »So«, sagte sie schließlich. »Der Spinnengildelehrling könnte aus Trotz handeln, wenn Ihr Berylina heiratet.« Er konnte Ranis Tonfall nicht deuten, konnte keine Akzeptanz oder Ablehnung oder auch Resignation in ihren Worten erkennen. Sie war eher die Händlerin, die ihren Reichtum ermaß, ihre Position auf dem Marktplatz ermaß. »Sie wird ihre Spinnen Teheboth anbieten, und wir werden unseren Orden der Octolaris verlieren. Wir können die Mitgift der Prinzessin bekommen – und die Kirche sofort bezahlen –, oder wir können die Spinnen und die Bäume bekommen – und die Gefolgschaft nach einiger Zeit bezahlen.«
Hals Erleichterung war fast greifbar. Natürlich erkannte Rani klar das Problem. »Genau«, sagte er.
Rani schaute erneut zu den Octolariskäfigen und wollte sprechen, hielt aber dann inne. Stattdessen atmete sie tief durch und hob eine Hand an ihre Kehle, zu ihrer kleinen, heilenden Wunde. Wer hatte sie verletzt? Wie hatte sie den Kratzer erhalten?
Hal widerstand der flüchtigen Versuchung, ihrer Hand zu folgen, seine eigenen Finger an die Verletzung zu legen. Stattdessen sagte er: »Also erkennst du das Problem. Wie können wir beides schaffen? Wie sollen wir die Kirche und die Gefolgschaft zufriedenstellen?«
»Und zugleich verhindern, dass Liantine zu unserem Feind wird.« Rani schritt zum Fenster hinüber, blickte über die Stadt hinaus. »Ihr müsst mich darüber nachdenken lassen, Mylord. Lasst mich sehen, ob ich einen Plan ersinnen kann.«
»Wir haben nicht viel Zeit, Rani.«
»Fast überhaupt keine Zeit.« Ihre Antwort klang so leise, dass er sich anstrengen musste, um ihre Worte zu hören. Sie blickte in die Ferne, und ihre Finger stahlen sich erneut zu ihrer Kehle. Kurz darauf schüttelte sie den Kopf, und die Bewegung schien ihre unbestimmte, distanzierte Stimmung zu vertreiben. »Wir müssen uns jedoch so weit vorbereiten wie möglich. Die Gaukler werden heute Abend zu Euch kommen, Mylord. Sie werden mit Euch sprechen, in Vorbereitung auf die Festlichkeiten, die Eurer Hochzeit folgen.«
»Warum wollen sie mit mir sprechen?«
»Nein. Euch durchs Sprechen hypnotisieren.« Sie betonte das Wort auf merkwürdige Art. »Sie werden ein Stück für Euch vorbereiten, eine Geschichte, die zu Ehren Eurer Hochzeit erzählt wird. Nach dem Festessen natürlich. Nachdem die Häuser Morenias und Liantines
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