Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
wie der Atem aus der Prinzessin herausgequetscht wurde.
Tovin schien sich ihres Versagens jedoch unbewusst. »Das weiß ich. Aber Laranifarso ist seit genau diesen zwei Wochen fort. Du hast gesagt, dass die Gefolgschaft keinen Grund hat, ihm etwas anzutun – noch nicht. Du kannst Berylina nicht zurückbringen, indem du dich weigerst, dich deiner Gilde unterzuordnen. Du versuchst, Ausreden zu finden, um die Glasmalerprüfung nicht ablegen zu müssen.«
»Wer ist jetzt lächerlich?« Rani stemmte die Hände in die Hüften, wandte einen alten Gauklertrick an, um noch herrischer zu erscheinen. »Tovin, du hast keine Ahnung, wie es in diesem Raum mit Berylina war! Du warst irgendwo draußen auf den Straßen.«
»Irgendwo draußen…« Er versagte sich eine zornige Erwiderung, und als er erneut sprach, klang seine Stimme Besorgnis erregend ruhig, glatt wie eine Öllache, die in einer Laterne aufs Anzünden wartet. »Ranita, du hast vom ersten Tag an, als wir in Brianta ankamen, klargemacht, dass du keine Verwendung für mich hast. Du hast öffentlich geschworen, mich zu meiden. Du hast meinen Rat auf jedem Schritt deines Weges ignoriert. Wenn ich ›irgendwo draußen‹ war, dann deshalb, weil der Mann, der im Stern und Pferd Ale ausschenkt, eine bessere Gesellschaft ist als du.«
»Ja«, fauchte Rani. »Der Mann, der Ale ausschenkt, und die Frau, die sich um die Räume darüber kümmert!«
»Du hast kein Recht, mich zu beschuldigen…«
»Halt!« Mairs Stimme unterbrach sie, zersägte ihre Argumente wie ein Forstarbeiter, der Bäume fällt. »Euer Streit führt euch nirgendwohin!«
Rani hob die Handballen an die Augen und presste sie darauf. Sie fühlte sich gestreckt, gezogen, als könnte sie tagelang weinen, und doch hatte sie keine Tränen. Diese verfluchte briantanische Hitze… Sie war seit dem ersten Tag ihrer Ankunft ausgetrocknet. Sie sah den Wasserkrug auf dem Sims, aber sie hatte ihren Schwur, nur im Gildehaus zu essen und zu trinken, noch nicht gebrochen. Sie würde nicht auch noch bei diesem letzten Schwur versagen. Sie könnte dieses Versprechen halten. Sie schluckte schwer, während Mair fortfuhr: »Rani, du wirst zu dieser Gilde gehen, und du wirst deine verfluchte Prüfung absolvieren. Du hast genug Zeit damit verschwendet, mit mir durch die Stadt zu stolpern.«
»Aber Mair…«
»Ich will nichts mehr davon hören. Laranifarso wird jetzt seit fast zwei Wochen vermisst. Entweder steht die Gefolgschaft zu ihrem Wort oder nicht. Unsre Hoffnungen bedeuten etwas. Das Absolvieren deiner Prüfung bedeutet etwas. Bring deine Angelegenheit mit der Gilde zu Ende, damit wir alle nach Moren zurückkehren und unsere Reaktion planen können.«
»Ich…«
»Bring sie zu Ende!« Mairs Ausruf erklang so laut, dass Rani einen Schritt zurücktrat. »Beende, weshalb du gekommen bist! Beende es!« Die Tür schlug so fest hinter ihr zu, dass der Boden erzitterte.
Rani wollte ihrer Freundin die Treppe hinab und auf die Straßen der Stadt hinaus folgen, aber Tovins Stimme hielt sie zurück. »Sie hat Recht. Die Welt hält nicht inne, nur weil das Kind entführt wurde.«
Aber Mair weiß nicht warum, wollte Rani sagen. Mair kann nicht verstehen. Im Raum des Kindermädchens war eine Nachricht hinterlassen worden, eine einzige Zeile, die besagte, dass Laranifarso sich der Gefolgschaft anschlösse. Mair wusste nicht, dass ihr Kind als Geisel für Ranis Handeln gehalten wurde, dass Laranifarso in Sicherheit war, bis Rani Königin Mareka ermordete.
Aber Tovin wusste es. Rani hatte es dem Gaukler in einem Anfall von Wahnsinn erzählt, als sie und Pater Siritalanu, erschüttert und verzweifelt, in ihre Pension zurückgekehrt waren. Sie hatte Tovin im Schankraum vorgefunden, bereits angetrunken, und sie hatte ihn mit nach oben gezerrt, hatte versucht, den scharfen Geruch nach Ale, den stechenden Duft von gebratenem Fleisch, von würzigen Pasteten und frisch gebackenem Brot zu ignorieren.
Wenn sie gewollt hatte, dass der Gaukler zu ihrer Verteidigung schreiten würde, so wurde sie enttäuscht. Wenn sie von ihm erwartet hatte, dass er sein Schwert schultern, durch die briantanischen Straßen schreiten und Gnade und Gerechtigkeit fordern würde, so war die Wahrheit niederschmetternd. Denn stattdessen hatte er bedächtig genickt, sich in dem Sessel beim kalten Kamin niedergelassen und seine Stiefel auf den Steinrand gelegt. Er hatte die Augen verengt, während Rani weitersprach, als zähle er ihre Worte ab. Als sie zum
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