Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
in ihre eigenen Raunte begäben. Wir hätten verstanden, wenn sie nicht unmittelbar nach ihrer Rückkehr ihren Respekt gezollt hätten.«
Mair antwortete, bevor Farso eine Antwort ersinnen konnte. »Sire, wir kamen direkt hierher, weil wir eine dringende Angelegenheit vorzutragen haben. Ihr müsst von der Beleidigung Eurer Krone erfahren. Ihr müsst die Euch in Brianta zugefügte Verletzung verstehen.«
»Ich habe von Prinzessin Berylina erfahren.«
»Aber nicht von Laranifarso!« Die Stimme der Frau brach, als sie den Namen ihres Sohnes aussprach, und Hal konnte nicht umhin, den Blick rasch Farso zuzuwenden. Nun erkannte er, dass das Gesicht seines Gefolgsmannes angespannt war, dass der unerschütterliche Soldat wirkte, als wäre er grausam getroffen worden.
»Laranifarso.« Er stellte sich das kleine Kind vor, den kostbaren Sohn, in Windeln gewickelt. Welches Unglück war in Brianta geschehen? Welches Unheil hatte seine Untertanen in jenem Land befallen?
Mair keuchte: »Er wurde entführt, Sire.«
»Entführt?« Das machte keinen Sinn. Wer hatte das Kind entführt? Ein Kleinkind?
»Ja!« Ihre Beharrlichkeit wurde durch ihren hektischen Blick noch erhöht, durch den Schmutz, der ihr windgerötetes Gesicht überzog. »Bei Jair, mein Sohn wurde mir gestohlen!«
Ihre Worte klangen schrill, bis ihre Stimme brach und Farso vortrat, als könnte er seine Frau irgendwie trösten. Bei Jair… Dann hatte die Gefolgschaft hiermit zu tun? Hätte die Reise nach Brianta katastrophaler verlaufen können?
Farso umfasste den Arm seiner Frau, hielt sie zurück, während er ihr gleichzeitig sichtbar Halt bot. »Bitte, Sire. Mair hat versucht, mit den briantanischen Behörden zu sprechen, aber sie sagten, sie könnten nichts tun. Wenn Ihr ihnen schreiben würdet, oder noch besser, Eure Soldaten hinschicken würdet…«
Armer Mann. Er wusste nichts von der Gefolgschaft. Er wusste nichts von der Stärke der ihnen gegenüberstehenden Macht.
»Einen Moment, Farso«, sagte Hal. Dann schaute er zu Rani, bezwang seine Verärgerung, um ihre seltsam ruhige Haltung in sich aufzunehmen. Sie hatte sich irgendwie mit Laranifarsos Verschwinden abgefunden. Sie verlangte nicht, dass er Soldaten sandte, dass er die Gefolgschaft preisgab.
Lasst sie nicht erneut handeln.
Was hatte Rani getan? Wie weit würde sie in ihrer Rache an ihm gehen? Konnte sie etwas dadurch zu gewinnen hoffen, dass sie der Gefolgschaft das Kind ihrer Freunde opferte? Hal hielt den Blick auf sie gerichtet, während er sagte: »Wir brauchen mehr Fakten, bevor wir handeln können. Wir müssen genau wissen, wer das Kind entführt hat und was sie dadurch zu gewinnen hoffen.«
Farso beharrte: »Eure Männer können das mit ihren Schwertspitzen erfahren, Sire! Ich bitte Euch! Wenn es Euer Sohn wäre, würdet Ihr eine sofortige Reaktion erwarten!«
Heißer Zorn zuckte durch Hals Brust. »Ihr wisst, dass ich Laranifarso wie meinen eigenen Erben liebe.«
Farso schluckte hörbar, und das Blut wich noch stärker aus seinen Wangen. »Sire, ich wollte nicht.«
»Natürlich nicht.« Der Adlige stammelte weitere Entschuldigungen, und Hal wollte ihn angreifen. Behandele mich nicht wie einen Schwachkopf! Sieh mich nicht plötzlich so mitleidig an! Hal atmete bewusst beruhigend durch. »Farso, ich weiß, dass Ihr mich nicht verletzen wolltet. Dennoch kann ich nichts tun, bis ich alle Fakten kenne. Und ich werde die Fakten erst erfahren, wenn sich die Ladys – und Tovin Gaukler – von ihrer Reise erholt haben.«
»Euer Majestät«, grollte Mair, »ich bin so erholt wie ich nur sein kann, bis mein Baby in Sicherheit ist.«
»Ihr wart fast drei Monate in einem fernen Königreich. Ihr seid auf einer heißen, trockenen Straße hart geritten.« Hal zwang seine Stimme zu einem freundlicheren Tonfall. »Bitte, Lady Mair. Esst etwas. Trinkt etwas. Wascht Euch den Staub der Straße vom Gesicht. Ich werde hier sein, wenn Ihr Euch ausgeruht habt. Dann können wir unsere Reaktion ermessen.«
Hal beobachtete, wie das Unberührbaren-Mädchen seine Worte abmaß. Es war etwas Ungezähmtes an ihr, etwas Angespanntes und Zorniges. Sie hatte stets gegen Autoritäten rebelliert – gegen seine, die der Kirche, sogar die der Gefolgschaft. Hal wandte sich an Farso. »Kümmert Euch um Eure Frau.«
Nun war es an Farso, verletzt zu wirken, als wäre Hals Abweisung endgültig. »Sire, Ihr wisst, dass ich nicht beabsichtigte…«
»Ich weiß, Mylord. Ich verstehe. Kümmert Euch um Lady Mair. Wir werden
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