Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
ich dich nur vor dem politischen Kampf, vor der Rache ben-Jairs gerettet hätte, als er von den Intrigen gegen ihn erfuhr!
Er hatte ihren Kopf nicht auf einem Spieß gesehen. Dafür war er all den Tausend Göttern dankbar. Hätte er diese letzte Schmach bezeugt, wäre er vielleicht zerbrochen. Er hätte vielleicht die Reise nach Brianta nicht geschafft. Er hätte vielleicht die neue Gilde nicht errichtet, vielleicht seine Lehrlinge und Gesellen und Meister nicht versammelt. Vielleicht seine Rache nicht geplant.
Natürlich schafften es viele der morenianischen Glasmaler niemals in Jairs fernes Heimatland. Einige wurden von Wahnsinn vereinnahmt, andere von Hoffnungslosigkeit. Die reine Entfernung erwies sich als Hindernis, und Parion war nicht bereit gewesen, seine Anwesenheit auszuposaunen, damit fehlgeleitete Königstreue nicht weiterhin Rache für den Tod Prinz Tuvashanorans ermaßen, für den Mord, den nicht die Gilde verschuldet hatte.
Dennoch hatte Parion in seinem Haus fast achtzig Glasmaler versammelt. Achtzig Gildeleute, alle Clain und der Zunft geweiht. Einige waren Morenianer, die sich in diesem fernen Land ein neues Leben aufgebaut hatten. Andere waren Briantaner, die sich von der schönen Kunst des Gildehauses angezogen fühlten. Wieder andere kamen aus fernen Ländern, von der Magie des Geburtsorts des Ersten Pilgers angezogen. Viele Pilger kamen in Jairs Heimatland, aber nicht alle gingen wieder fort.
Es klopfte an der Tür, was Parion aus seinen bitteren Erinnerungen riss. »Herein!«, rief er und bedeckte automatisch Moradas Symbol mit einem Blatt Pergament. Er bemerkte kaum, dass er den kostbaren Gegenstand abschirmte, eine der wenigen greifbaren Erinnerungen an sein morenianisches Leben beschützte.
Die Tür schwang lautlos auf, als kontrollierten die Götter selbst die Scharniere. Während Parion hinsah, betrat eine Gestalt mit einer schwarzen Kapuze den Raum. Eine behandschuhte Hand – die einer Frau? Die eines Mannes? – wurde zur Gebetsglocke ausgestreckt, die neben der Tür hing. Die Finger streiften über die bronzefarbene Oberfläche, entlockten ihr ein sanftes Klingen. »Im Namen des Ersten Pilgers«, flüsterte der Neuankömmling, der Klang fast verloren, während die Gestalt über die Schwelle glitt.
»Willkommen, im Namen Jairs«, erwiderte Parion automatisch. Welches Mitglied der Gefolgschaft war dies? Würde Parion das Gesicht unter der Kapuze erkennen? Sein Herz schlug schneller, während der Besucher die Tür schloss.
Parion hatte Jahre gebraucht, um zarte Bande zu der Gefolgschaft zu knüpfen. Erst während der vergangenen sechs Monate hatte er ein zuverlässiges System eingeführt, um Nachrichten zu schicken, um um einen Besuch der schattenhaften Gruppierung zu bitten. In Brianta, noch mehr als in Morenia, besaß die Gefolgschaft des Jair Macht. Die Organisation hatte hier im Heimatland des Pilgers ihre Wurzeln, streckte ihre Fühler der Macht aber in die ganze Welt aus.
Priester brachten der Gefolgschaft Spenden, ehrten die Geheimorganisation während kaum verhüllter Predigten. Es hieß, der briantanische König zahle monatliche Abgaben an sie, böte für das Recht, seinen Thron zu behalten, Gold und Edelsteine. Die Gefolgschaft entschied über die Erhebung von Meistern in mindestens drei Gilden, und auch der Hauptmann der Stadtwache sollte, wie es weithin hieß, ein Mitglied sein.
Parion schluckte hörbar, da seine Kehle plötzlich trocken war. »Wollt Ihr mit einem bescheidenen Glasmalermeister ein Glas Wein trinken?«
»Nein«, erwiderte der Besucher und formte das Wort sorgfältig in einem Tonfall, der Parions trügerischem Anerbieten trotzte. Männlich oder weiblich, war dieser verstohlene Gefolgsmann entschlossen, anonym zu bleiben. »Ich habe nicht viel Zeit.«
»Aber Ihr habt die Handprothese mitgebracht?« Parion konnte den Eifer in seiner Stimme nicht verbergen. Er hatte vor fast sechs Monaten erste Handel mit der Gefolgschaft getätigt und fast seine gesamte begrenzte Geduld aufbringen müssen, um auf die Umsetzung zu warten.
»Ja.«
Als die Gestalt nicht prompt genug vortrat, bekämpfte Parion den Drang hinzueilen. Stattdessen sagte er heiser: »Dann lasst sie mich sehen.«
»Alles zu seiner Zeit. Alles zu seiner Zeit, Glasmaler.«
Parions Neugier nagte an ihm wie Säure. Er hatte der Gefolgschaft für diese neue Handprothese viel versprochen. Am Vortag war eine Nachricht unter seiner Tür hindurchgeschoben worden, ein nicht unterzeichneter Streifen
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