Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Glastand, dieses Mal einen kühlen blauen. Er führte ihn über seine Haut und spürte, wie der Tand der Haut die Hitze entzog. Über die Finger, unter den Fingern hindurch, über die weiß schimmernden Narben seines Berufes. Auch dies war eine Meditation über Jair. Auch dies bedeutete, den Tausend Göttern zu huldigen. Ohne bewusste Planung sprach er ein leises Gebet an den Pilger, Worte, die seinen Lippen einhundert Mal am Tag entströmten. »Möge sich der Erste Pilger Jair bei allen meinen Gebeten für mich verwenden.«
Brianta hatte ihn auf unbestimmte Weise in einen gläubigen Mann verwandelt. Zunächst hatte er die komplizierten Gebete Briantas angenommen, weil er seine Eignung für ihre Gesellschaft beweisen wollte. Er wollte zeigen, dass er sicher war, dass sie ihm vertrauen konnten. Er brauchte die Sicherheit eines Landes, in dem der König wenig Macht innehatte, in dem die Glasmaler ihre Wunden lecken und sich erholen konnten. Mit der Zeit hatte Parion jedoch zunehmend Trost in den andächtigen Worten gefunden, in der Vertrautheit zunehmend ein Refugium gefunden. Sein Geist durchlief die religiösen Formeln wie ein Blinder, der einen vertrauten Weg entlangschreitet. Die briantanische Huldigung war zu einem Balsam geworden. Zu einer Stütze. Zu einer Richtschnur.
Parions Überlegungen wurden unterbrochen, als sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer erneut öffnete. Dieses Mal kein Klopfen, keine Bitte um Einlass. Also einer der Glasmaler. Einer, der erwartete, in diesem Raum willkommen zu sein.
Er schaute rechtzeitig auf, um Larinda Glasmalerin in den Raum schlüpfen zu sehen. Sie streckte eine Hand nach der Gebetsglocke aus, ließ ihre Handfläche sanft über die Oberfläche gleiten, wodurch das Glockenspiel erklang. Die Handlung erfolgte bei dem Mädchen automatisch. Sie hatte immerhin fast ein Drittel ihres Lebens in Brianta verbracht, acht Jahre vom persönlichen Besitz des Ersten Pilgers Jair umgeben.
Parion zwang ein geduldiges Lächeln auf seine Lippen. »Der Pilger segne dich, Gesellin.«
»Der Pilger segne Euch, Meister«, erwiderte sie sofort.
»Wie geht es der Gilde heute Morgen, Larinda?«
»Gut, Meister.« Sie neigte den Kopf zum traditionellen Gruß. »Die Lehrlinge überprüfen die neue Lieferung zarithianischen Glases. Unser Silberfärbemittel ist heute Morgen ebenfalls eingetroffen. Es befindet sich bereits in der Schatzkammer.«
»Und Ausbilder Tanilo?«
»Er weilt noch im Krankenzimmer. Er ist noch nicht wieder aufgewacht. Schwester Domira fürchtet um ihn. Sie sagt, die Anfälle des Ausbilders seien schlimmer geworden, bevor er gestern im Garten gefunden wurde. Es ist nicht gut, dass er das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt hat.«
»Möge Yor dem Mann Kraft bringen.«
»Möge Yor ihm Kraft bringen«, wiederholte Larinda und vollführte die Geste, mit der man die schützende Aufmerksamkeit des Gottes des Heilens beschwor.
Das Mädchen konnte die Bewegung ironischerweise fast nicht ausführen. Ihre Hände waren in Morenia verstümmelt worden, von den Männern des Königs unbrauchbar gemacht worden, als die Verräterin ihr Übel an der Gilde wirkte. Larinda trug eine primitive Handprothese, eine der ersten, die Parion jemals für seine Schützlinge in Auftrag gegeben hatte, aber das Hilfsmittel war schwer, und es mangelte ihm sowohl an Anmut als auch an leichter Handhabung. Tatsächlich zuckte Larinda zusammen, als sie ihr Handgelenk bei dem komplizierten Gruß an Yor drehte.
»Schmerzt dich deine Hand, Larinda?«
»Nein, Meister«, erwiderte sie sofort, aber er sah, wie sie ihr rechtes Handgelenk mit der linken Hand barg.
Er traf eine Entscheidung. Er trat zu seinem Werktisch, winkte die Gesellin zu sich herüber und hob das Spinnenseidetuch an, das die neue Handprothese verbarg. »Du solltest dies sehen, Larinda Glasmalerin. Du solltest wissen, dass wir bald neue Handprothesen für dich und all die anderen verstümmelten Gildeleute haben werden.«
Nur einen Augenblick verhüllte Misstrauen das Gesicht des Mädchens. Sie schaute zum Tisch, als fürchte sie eine Täuschung, als fürchte sie, dass ihre Hoffnungen durch das Aufflackern eines grausamen Feuers zerstört würden. Sie konnte den Blick jedoch nicht wieder von der Handprothese abwenden. Sie warf Parion einen Blick zu, bat schweigend um Erlaubnis. Er nickte, und sie hob die neue Hand mit ihrem schweren, unbeholfenen Zugriff an.
Sie ließ die Fingerspitzen über die Seidenumkleidung gleiten, und ein Ausdruck der
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