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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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über seinem Daumen schloss, seinem beweglichen Daumen. Langsam… Langsam…
    Er hielt den Atem an, während er das karmesinrote Glas anhob. Er benutzte die Handprothese, führte den Schatz vor sein Gesicht, betrachtete ihn im Morgensonnenschein. Die briantanische Straße vor seinem Fenster wurde karmesinrot, wurde blutrot gebadet, als würde plötzlich die Sonne über der Stadt untergehen. Parion wandte sich zu seinem Besucher um und konnte nur knapp ein Lachen in seiner Kehle unterdrücken. »Sie funktioniert!«
    »Natürlich funktioniert sie«, flüsterte die Gestalt unter der Kapuze. »Ihr habt die Gefolgschaft darum gebeten, und wir haben geliefert. Sie könnte nicht weniger als funktionieren.«
    »Es gibt noch weitere? Ich habe um vierzig Stück gebeten, linke und rechte.«
    »Es wird weitere geben. Die übrigen werden in vierzehn Tagen geliefert.«
    »Wir können nicht warten!« Nicht jetzt. Nicht wo Parion gesehen hatte, wie gut die Handprothese dirigiert werden konnte.
    »Ihr müsst.« Der Besucher trat vom Fenster fort, zog sich in die tiefen Schatten des Raumes zurück. »Die Gefolgschaft verlangt es.«
    »Ich muss eine Gilde führen!«
    »Eure Gilde hat acht Jahre lang gewartet. Sie kann noch vierzehn Tage länger warten.«
    Parion wollte gegen die Ungerechtigkeit anheulen. Wusste die Gefolgschaft nicht? Begriffen sie nicht? Die Glasmaler brauchten diese Handprothesen, sie verdienten sie. Dennoch konnte er nichts sagen. Er konnte nichts tun. Die Gefolgschaft hielt alle Karten in der Hand. Er atmete tief ein und zwang sich zu sagen: »Dann in vierzehn Tagen.«
    »Wir erwarten volle Bezahlung, bevor wir die Waren liefern.«
    »Natürlich.«
    »Volle Bezahlung, in Gold. Und in Dienstleistungen.«
    Ein Schauder lief Parions Rückgrat hinab, als hätten die Eisenbacken der Handprothese seine Kehle gestreift. »Welche Dienstleistung könntet Ihr von mir benötigen?«
    »Nichts, was Ihr ungern gäbt.« Die Gestalt unter der Kapuze trat einen einzigen Schritt vor. »Nur dass Ihr jemanden hierher ruft, nach Brianta.«
    »Jemanden rufen? Wen?«
    »Diejenige, die Ihr die Verräterin nennt.«
    Parion reagierte automatisch. Seine freie Hand vollführte die rituelle Reinigungsgeste. »Das könnt Ihr nicht von mir erbitten.«
    »Die Gefolgschaft bittet nicht. Sie fordert.«
    »Ich werde mich nicht mit ihr austauschen. Ihr verlangt zuviel.«
    »Wir bieten auch viel. Vierzig Handprothesen, Glasmaler.«
    »Sie ist ja erst der Grund dafür, dass wir die Handprothesen brauchen. Sie ist diejenige, die uns vernichtet hat.«
    »Umso mehr Grund, dass Ihr also nach ihr schickt. Bringt sie nach Brianta. Hier erwartet sie ihr Schicksal. Bringt die Verräterin in unser Land, und die Handprothesen gehören Euch.«
    Parion öffnete den Mund zum Protest. Alles, nur das nicht. Alles, außer ihr entgegenzukommen, sie willkommen zu heißen, sie zu den guten Glasmalern zurückzubringen, die sie verraten hatte. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, wandte sich die Gestalt unter der Kapuze um und schritt zur Tür.
    Von der Schwelle aus wurde ein schweres Flüstern durch den Raum getragen: »Schickt die Nachricht heute ab, Glasmaler. Innerhalb von vierzehn Tagen kann Spinnenseide brennen. Eisen kann neu geschmiedet werden.«
    Der Gefolgsmann glitt aus der Tür, noch während Parion protestieren wollte. Der Glasmalermeister streckte seine rechte Hand zur Tür aus, zur Rettung, zu einem flüchtigen Traum. Die monströsen Metallbacken gähnten, während sich Parion zurückzog und die Handprothese an seine Seite sinken ließ.
    Er seufzte. Die Verräterin kontaktieren. Sie nach Brianta einladen. Konnte er sich zwingen, den Brief zu schreiben?
    Parion wandte sich wieder zum Fenster um. Er griff mit der linken Hand über seinen Körper hinweg, löste die Spinnenseidebänder, welche die Handprothese an seiner Haut befestigten. Als sie dann auf dem Tisch lag, zeigten die Metallbacken nach oben, klagten ihn mit ihrer glatten Oberfläche an. Wie konnte er zulassen, dass ihm sein Stolz im Wege stand? Wie konnte er sich einbilden, die Verräterin nicht nach Brianta einzuladen, wenn das die von der Gefolgschaft geforderte Bezahlung war? Er schuldete es allen seinen Glasmalern, all den Kindern, die zu fähigen Gesellen herangewachsen waren, den gegenwärtigen Meistern, trotz ihrer Verletzungen im Dienste der Gilde. Er musste seinen Stolz, seinen Zorn hinunterschlucken. Er musste den Brief abschicken.
    Parion griff in den Behälter und umfasste einen

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