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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Pergament, auf dem es nur hieß: »Liantinische Reichtümer sind eingetroffen.«
    Mit wem hatte die Gefolgschaft tatsächlich in jenem fernen Land zu tun? Die Liantiner hätten keine Verwendung für den Ersten Pilger, nicht bei ihrer Huldigung der uralten Göttin der Gehörnten Hirschkuh. Der Gefolgschaft des Jair würde es nicht leichtfallen, dem Hause Donnerspeer Macht zu entreißen. Aber jemand hatte sich ihnen angeschlossen. Jemand hatte ihre Macht letztendlich anerkannt.
    Und dieser Jemand hatte die kostbaren Waren geschickt, welche Parion brauchte, welche die Glasmaler ersehnten. Um seinen Eifer zu verbergen, trat er zum Fenster, aber er konnte nicht umhin, das briantanische Dankeszeichen zu vollführen. Die rituelle Geste erkannte die Macht von Jairs Gunst auf sein Volk an. »Lasst mich die Handprothese sehen.«
    Der Bursche nahm sich noch einen Moment Zeit, hob seine behandschuhten Finger, um die Kapuze zu richten. Parion wollte brüllen: Ich werde Euer verfluchtes Gesicht nicht betrachten! Zeigt mir einfach die Ware!, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen. Stattdessen betete er leise um Geduld. Möge Plad ihn auf seinem wahren Kurs halten und ihn in der Kunst des Wartens geleiten.
    Der Besucher trat zum Fenster und nahm ein in Seide gehülltes Bündel unter seiner tarnenden, schwarzen Robe hervor. Verdammt sei Plad – Parion riss die Tuchrolle an sich. Sein Atem beschleunigte sich, während er den weichen, ungefärbten Stoff abwickelte. Zwei Mal ließen seine flinken Finger den kostbaren Gegenstand beinahe fallen.
    Vorsicht!, versuchte er sich selbst zu warnen. Du hast sechs Monate lang gewartet. Nun kannst du gewiss noch ein paar weitere Herzschläge lang warten.
    Drehe den Stoff. Verlagere die Last. Führe deine Finger unter die Handprothese. Berge sie. Ein letzter Zug an dem Stoff. Eine letzte Drehung.
    Und da war sie.
    Ein Eisenreif, in weichste Spinnenseide gehüllt. Seidenbänder waren über das Eisen geschlungen, deuteten die Form einer Handfläche und lebendiger, sich beugender Finger an. Ein langer, schimmernder Faden – nein, kein Faden – ein Band, aus derselben, kostbaren Seide gefertigt, sich von Finger zu Finger windend, sich durch das schimmernde Sonnenlicht schlingend. Sorgfältig geölte Metallhebel, mit der Präzision eines Juweliers ausgewogen.
    Parion schaute zu seinem Besucher, verärgert darüber, diesen Schatz mit jemandem teilen zu müssen, selbst mit einem stillen Gast, selbst mit der Person, die ihn gebracht hatte. Parion wandte der schwarz gekleideten Gestalt den Rücken zu, drehte sich zum Fenster. Er ballte seine Hand zur Faust – seine vier funktionsfähigen Finger, seinen Daumen – und dann ließ er die Ledermanschette über seine Hand gleiten.
    Sie war leicht. Geschmeidig. Er führte seine Finger in die Schlaufen aus Spinnenseide, richtete die Bänder. Klappte seinen beweglichen Daumen in die Handfläche ein, arrangierte die Metallbacken mit der Handkante, gab so gut wie möglich vor, keine Finger zu haben, wie seine armen Gildeleute verstümmelt zu sein.
    Er bewegte die Finger, manipulierte die Metallbacken mit den Seidenbändern. Die Bewegung erfolgte fließend, aber seine Hand rebellierte gegen die ungewohnte Ausgewogenheit. Er spürte das Zittern eines Krampfes seine Handfläche entlanglaufen. Er blinzelte konzentriert, streckte die Hand zu dem großen, irdenen Topf am Rande des Tisches aus, dicht am Fenster. Glastand befand sich darin – eintausendundeiner, für jeden der Götter sowie den Ersten Pilger Jair einer. Parion hatte ein Jahr gebraucht, um seine Spende auf eine für die briantanischen Priester akzeptable Art zu sammeln.
    Er streckte die Hand nach dem Topf aus und zog die Unterlippe konzentriert zwischen die Zähne. Wenn er die Bänder nur handhaben könnte… Wenn er die Backen aufziehen könnte… Da… Da…
    Er führte die Metallbacken näher an einen Glasgegenstand heran, an ein obenauf liegendes, glänzendes Stück Karmesinrot. Er wurde, trotz seiner angespannten Aufmerksamkeit, von einem Lichtblitz auf dem Kristall abgelenkt, von der kleinsten Reflektion von Sonnenlicht von den Metallbacken. Welchen Gott hatte er geehrt, als er diesen Tand in den Opfertopf gab? Welchen der Tausend Götter hatte er anerkannt, als er das Glas seinem geheimen Versteck hinzufügte?
    Konzentrieren. Sammeln. Die Finger bewegen. Rechts – nein, links! Vorsichtig. Vorsichtig. Die Backen schließen, indem er die Finger näher an seine Handfläche führte, indem er sie

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