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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Eisengriff der Truhe. Er schritt bereits voran, sattelte bereits sein Pferd, floh Moren bereits. Er war bereits fort.
    Sie wandte sich auf dem Absatz um und verließ den Schuppen, ignorierte die gutmütigen Flüche der Akrobaten, ignorierte das fröhliche, geschäftige Leben der Gaukler.
     
     
    Als Rani erwachte, spähten die letzten Sonnenstrahlen durch das Fenster. Sie lag auf ihrem Bett und keuchte von dem Albtraum, den sie gehabt hatte: Boten von der Glasmalergilde waren eingetroffen – endlos viele Boten strömten mitten in die Gauklerenklave. Jeder von ihnen hatte eine zerknüllte Pergament-Botschaft bei sich. Sie alle verbeugten sich vor ihr und boten das Urteil der Gilde dar. Rani hatte jedes einzelne Pergament angenommen, entfaltet und mit zitternden Händen geglättet.
     
    Nach höchst bedauerlichen Überlegungen habe ich, Parion Gildemeister, beschlossen, dass die einst als Ranita Glasmalerin bekannte Gesellin die Fähigkeiten, Glasarbeiten zu erschaffen, noch nicht beherrschen gelernt hat. Bis es so weit ist, soll Ranita ihre Fähigkeiten vervollkommnen, sie soll nicht unter ihrem Gildenamen bekannt sein, weder hier in Brianta noch woanders auf der weiten Welt, welche den Namen der Glasmalergilde ehrt.
     
    Versagen. Pergament auf Pergament, Bote auf Bote berichteten über ihr absolutes Versagen.
    Rani hatte im Traum geweint. Sie hatte wie eine Närrin geweint, wie eine Wahnsinnige, wie sie zuvor an diesem Tag in Hals Arbeitszimmer geweint hatte. War das erst heute gewesen? Hatte sie seit der Dämmerung so viel verloren? Ihren König? Ihren Geliebten? Ihren Selbstrespekt?
    Es gelang ihr, sich auf der Bettkante aufzusetzen. Ihr Zimmer war heiß und die Luft unbewegt, aber ihre Haut fühlte sich kalt und feucht an. Sie schleppte sich zu dem kleinen Tisch in der Ecke, suchte nach einem Elfenbeinkamm. Während sie ihn durch ihr wirres Haar zog, versuchte sie sich zu beruhigen, versuchte sie, die bitteren Erinnerungen an ihren Traum zu verdrängen.
    Sie wusste nicht, dass Meister Parion sie durchfallen lassen würde. Noch nicht.
    Ihr Haar war feucht und hing schlaff ihren Nacken hinab. Als sie den Elfenbeinkamm betrachtete, sah sie mehrere feine Strähnen im letzten Abendlicht glänzen. Anscheinend hatte sie ihr Haar verloren, seit sie in Brianta war. Wenn sie mit den Fingern ihre Kopfhaut entlangfuhr, blieben wirre Strähnen daran haften.
    Vielleicht war sie wirklich vergiftet worden. Vielleicht besaßen die Götter einen grausamen Sinn für Ironie. Crestman hatte sie auf einen Weg geführt, hatte ihr ein Fläschchen gegeben, damit sie eine Frau tötete, während gleichzeitig jemand versucht hatte, sie mit Gift zu töten. Vielleicht lachten die Götter, amüsierten sich von ihren Plätzen in den Himmlischen Gefilden aus über ihre missliche Lage.
    Rani goss sich ein Glas Wasser ein, aber sie konnte nur einen einzigen Schluck hinunterbringen, bevor ihr der metallische Geschmack die Kehle verschloss. Sie schaute erneut zum Fenster. Es war noch immer zu früh, um zu tun, was sie tun musste. Sie brauchte Dunkelheit. Völlige Dunkelheit.
    Sie trat zum Betpult hinüber, das unter dem Fenster stand, strategisch platziert, um jede abtrünnige Brise einzufangen. Tovin hatte die Gebetsbank für sie umgestellt, bevor sie nach Brianta reisten, bevor der Sommer seinen Höhepunkt erreichte.
    Er würde inzwischen fort sein. Fort, und in irgendeinem Gasthaus schlafen. Würde er wirklich südlich nach Sarmonia reisen? Sie hätte gedacht, dass er seiner Truppe zu sehr verbunden wäre. Aber es war kaum noch seine Truppe. Sie war im Laufe der Zeit, welche die Gaukler in Morenia verbracht hatten, zu ihrer geworden.
    Es wäre morgen noch Zeit genug, über Tovin nachzudenken. Im Moment sollte sie besser zu den Tausend Göttern beten. Sie würde bei der Aufgabe, die sie heute Nacht erfüllen musste, deren Beistand brauchen.
    Als sie auf der hölzernen Gebetsbank kniete, tasteten sich ihre Hände wieder in ihre Taschen. Da war Crestmans Botschaft. Nun konnte sie sie betasten, ohne das Gefühl eines gähnenden Lochs in ihrer Brust zu haben. Sie konnte sich den stolzen Soldaten vorstellen, verzerrt und verstümmelt. Sie konnte sich an ihn erinnern, wie er gewesen war, wie er wieder sein wollte.
    Und daneben war das Fläschchen mit dem Gift. Ihr Magen verkrampfte sich beim Gedanken an dessen Geruch, scharf, beißend. Sie hatte heute Nachmittag lange gebraucht, um den Stöpsel zu lockern. Eine kleine Menge war auf ihre Hand

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