Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Schluchzen.
»Sire.« Sie schluckte erneut, und dann streckte sie ihre Hand nach dem Behälter aus.
»Also ist es ein langsam wirkendes Gift? Eines, das dich nicht sofort umbringt?«
»Es ist kein Gift, Mylord. Ich habe das üble Gebräu der Gefolgschaft ausgewaschen. Ich habe das Glas mit Wasser aus Eurem Brunnen gefüllt.«
Sie sah die jäh auf seinem Gesicht auftauchenden Fragen. »Die Gefolgschaft? Was haben sie hiermit zu tun? Warum solltest du für sie arbeiten? Warum solltest du das Gift beseitigen und dennoch in die Räume meiner Frau kommen?«
Sie beantwortete seine letzte Frage zuerst. »Ich hoffte, eine Warnung zu hinterlassen, Sire. Ich hoffte, dass die Königin das Fläschchen neben ihrem Morgenbecher bemerken würde. Sie würde erkennen, was in der Nacht hätte geschehen können, und sie würde wissen, wie leicht es sie beim nächsten Mal treffen könnte. Sie würde ihre Verletzlichkeit erkennen und gehen.«
Hal schüttelte verwundert den Kopf. »Also hasst du unsere Königin so sehr? Du bist so eifersüchtig, dass du sie töten oder von ihrem Platz an meiner Seite vertreiben würdest?«
»Ich hege keine solche Feindseligkeit gegen Königin Mareka«, sagte Rani, und es gelang ihr, die Worte annähernd wahr klingen zu lassen. »Aber die Gefolgschaft… sie empfinden anders.«
»Die Gefolgschaft?«
»Ja. Dieselben, die Laranifarso gefangen halten. Sie halten das Kind als Sicherheit für mein Verhalten fest. Sie haben ihn entführt, damit ich die Königin töte.«
»Die Königin töten«, sagte er, wiederholte ihre Worte, als erwache er aus einem Traum. »Und doch hast du erwählt, ihnen zu trotzen?«
»Sie wollen Mareka loswerden. Sie wollen Eure Erben kontrollieren, Mylord. Sie wollen ein Kind auf Eurem Thron, einen König, der fügsamer ist, als Ihr Euch erwiesen habt.« Sie sah ihn das Muster vervollständigen, sah ihn die Linien ermessen, die sie nicht vorgezeichnet hatte. Käme Hals Kind auf den Thron, dann wäre Hal selbst tot. Sie fuhr fort, bevor er diese Gewissheit selbst aussprechen musste. »Ich dachte, wenn ich die Königin zum Gehen bewegen könnte, ohne sie zu töten, wäre die Gefolgschaft zufrieden. Es kümmert sie nicht, ob Mareka lebt oder stirbt, sie wollen sie nur aus Eurem Leben, aus Eurem Bett entfernt wissen. Sie wollen nur, dass sie geht.«
»Und deshalb hast du mich heute Nachmittag um einen Gefallen gebeten. Du hofftest, dass ich sie fortschicken und Laranifarso folglich befreien würde.«
»Ja.«
»Und als ich diesen Plan durchkreuzte, wolltest du sie selbst vertreiben.«
»Ja.«
»Aber die Nachricht, die ich erhielt? Die Warnung, du wolltest Mareka töten?«
Rani gab nicht vor, das Pergament nicht gefunden zu haben, die hasserfüllten Worte nicht gelesen zu haben. »Die hat Crestman geschrieben. Er wollte Euch manipulieren.«
»Für die Gefolgschaft?«
»Das glaube ich nicht. Das passt nicht zu dem Muster. Ich denke, Crestman hat hierbei auf eigene Faust gehandelt. Er benutzt die Gefolgschaft, solange sich deren Motive mit seinen decken, aber sein letztendliches Ziel unterscheidet sich von ihrem. Es kümmert ihn nicht, ob man Euch aus Morenia entfernt. Es geht ihm um mich. Er will mich bestrafen.«
»Und mich wollte er zum Werkzeug seiner Strafe machen.«
»Ja.« Rani bemühte sich, dieses einzelne Wort ruhig klingen zu lassen.
»Er wollte, dass ich dich töte.« Hals Stimme klang verwundert, als erkenne er erst jetzt, wie nahe er dieser Tat gewesen war.
»Oder dass Ihr mich in Eure Kerker werft. Oder mich mit der Anklage des Verrats vor ein Tribunal bringt.«
»Sein Hass sitzt tief.«
Rani dachte an den Jungen-Soldaten, dem sie vor so vielen Jahren begegnet war, an das Kind, das Welpen und Soldaten und Liebesbande geopfert hatte. »Ja, Sire. Sehr tief.«
»Und was geschieht jetzt?«
»Das hängt davon ab. Wo ist Königin Mareka?«
Er zögerte. Sie sah die Unsicherheit seine Kehle verengen, den Kampf in seinen Augen aufflammen. Er senkte den Blick auf das Fläschchen, und dann traf er eine Entscheidung. »Ich habe sie zum Schloss in Riverhead geschickt. Ich habe sie davon überzeugt, dass sie es dort kühler hätte, solange die Sommerhitze anhält.«
»Und wer weiß, dass sie fort ist?«
»Niemand. Ich habe ihr Pferd selbst gesattelt. Im dortigen Schloss gibt es alle Vorräte, die sie brauchen wird. Sie ist mit zweien ihrer Hofdamen und sechs Wächtern meines Haushalts gereist.«
Rani nickte. Also acht Menschen, über die Rechenschaft abzulegen
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