Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
ihre eigene Angst geleugnet hatte. »Du würdest den ganzen Weg nach Brianta reisen?«
Tovin streckte eine Hand zu dem Eisentopf aus, nahm sich einen langen Moment Zeit, um den Leim umzurühren. »Das könnte ich ebenso gut tun«, seufzte er. »Da ich mich bereits verpflichtet habe, dich und Berylina zu begleiten.«
Rani konnte sich kaum zurückhalten, bis er von dem heißen Leim zurückgetreten war, und schlang dann beide Arme um ihn. »Ich danke dir! Jetzt, wo ich weiß, dass du bei mir sein wirst, werde ich Erfolg haben.«
Er legte die Arme um sie und lehnte sein Kinn einen kurzen Moment auf ihren Kopf. Dann schob er sie zurück und wölbte eine Hand um ihr Kinn. »Du begreifst, dass dies nicht leicht sein wird, nicht wahr? Sie werden auf die Ausbildung, die du bei mir genossen hast, nicht freundlich reagieren. Sie werden jede meiner Glasmalerlektionen als fragwürdig ansehen, jede Methode, die ich dich gelehrt habe, anzweifeln.«
»Wir müssen sie überzeugen.«
»Sie werden dich nicht zur Meisterin in der Gilde machen wollen.«
»Wenn sie meine Arbeit sehen, werden sie keine andere Wahl haben.«
»Das werden sie doch, Ranita, sie haben alle Wahlen.«
Sie lachte und weigerte sich, die Warnung hinter seinen Worten anzuerkennen. »Bezweifelst du deine eigenen Fähigkeiten, Tovin Gaukler? Stellst du in Frage, mich gut gelehrt zu haben?«
Er schüttelte den Kopf, lächelte aber über ihre Spöttelei. »Ich weiß genau, was ich dir beigebracht habe, Mädchen. Ich weiß, dass du jede faire Prüfung bestehst, die dir vorgelegt wird.«
»Jede?« Sie trat einen Schritt näher an seinen Werktisch.
»Absolut jede.«
Ranis Lachen ging im Leinen seiner Tunika unter.
»Du denkst, du triffst dich wozu mit der Glasmalergilde?« Mairs Aufschrei weckte Laranifarso, der in den Armen seiner Mutter behaglich geschlafen hatte. Das Kind begann zu wimmern, ballte seine Hände zu Fäusten und presste die Augen zusammen. Mair summte ihm leise zu und hob ihn an ihre Schulter. »Nun sieh, wozu du mich gebracht hast!«
»Ich habe dich zu gar nichts gebracht, Mair.« Rani schüttelte den Kopf und bekämpfte den Drang, ihre Freundin auszulachen.
»Zumindes’ hat dieses Kind den Verstand, den die Tausend Götter ihm gegeben ham, um sicher un warm in seiner Geburtsstadt zu bleiben.« Laranifarso schien entschlossen, seine Mutter Lügen zu strafen. Er wimmerte weiterhin, als hätte er überhaupt keinen Verstand, keine Vorstellung irgendeiner Welt jenseits seines eigenen Kummers.
»Ich habe Verstand, Mair. Ich habe genug Verstand zu erkennen, dass dies die Chance ist, auf die ich gewartet habe.« Rani schritt neben der Gartenbank auf und ab, die Rosen nicht beachtend, die hinter ihrer Freundin blühten. Sie beobachtete, wie Mair ihrem Sohn die Wange streichelte, sah, dass sich das Baby allmählich beruhigte. Sie nutzte den Vorteil des ruhigeren Moments, um Worte zu finden. »Es war eine Sache für Hal, mich in Liantine zur Gesellin zu erklären. Das fachliche Wissen für diesen Rang ist wichtig, aber jedermann weiß, dass Gesellin in Wahrheit ein finanzieller Status ist. Ich habe, wie erwartet, meinen Bonus an die Krone geleistet, und daher besaß Hal die Befugnis, mich in die Gilde zu erheben.«
»Und wenn du der Krone jetzt wieder genug Gold gibst, wird er dich erneut befördern. Du hast keinen Grund, die Gilde in Brianta aufzusuchen.« Mair hatte sich ausreichend beruhigt, um wieder von der Unberührbaren-Mundart ihrer Jugend abzulassen. Ihre vergleichsweise Friedlichkeit schien sich auch auf ihren Sohn zu übertragen, der noch einige weitere Atemzüge lang schniefte, sich dann aber eine dicke Faust in den Mund steckte und emsig an seinen Knöcheln saugte.
Rani umklammerte ihre Röcke, während sie sich bemühte, ihr Argument zu formulieren. »Ich erwarte nicht, dass du es verstehst. Ich erwarte nicht, dass du die Gilde ebenso wertschätzt wie ich. Ich weiß, dass du als Unberührbaren-Mädchen aufgewachsen bist. Du hältst unsere Ränge und Statusse für absurd.«
»Du wurdest als Händlermädchen aufgezogen, Rai.«
»Aber meine Händlerfamilie hat dafür bezahlt, dass ich in die Gilde eintreten konnte. Meine Eltern horteten ihr Silber, damit ich vorankam. Mein eigener Bruder hat eine Gelegenheit zur Pilgerschaft verstreichen lassen, damit ich der Gilde beitreten konnte. Ich muss dieses Opfer rechtfertigen. Ich muss ihm eine Bedeutung geben.«
»Also darum geht es bei alledem! Du willst die Pilgerreise antreten,
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