Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
Behüte und bewahre sie vor Schaden, damit sie all den Tausend Göttern weiterhin in deinem Namen huldigen kann. Gesegneter Jair, wir danken dir für deine Führung und deine Weisheit in allen Dingen.«
    Berylinas Herz weitete sich bei diesen Worten. Ihre Brust hob sich, und sie atmete rascher. Jair würde über sie wachen. Er würde sie beschützen. Er würde sie vor Schaden bewahren. Berylina atmete langsam aus und öffnete ihr Herz Jair, erwartete, die Gegenwart des Pilgers sie mit seiner einzigartigen Essenz erfüllen zu spüren, welche Ansicht oder welcher Klang oder welche Berührung oder welcher Geschmack oder welcher Geruch auch immer den Ersten Pilger ankündigte.
    Nichts.
    Berylina atmete noch einmal tief durch, und die dichte Luft des Raumes rauschte über ihre Hasenzähne. Sie schloss die Augen, verdrängte alle Ablenkungen, beschränkte die verzerrte Sicht ihrer schielenden Augen. Sie ignorierte bewusst das Flüstern der Gebete der anderen Pilger, das Flackern des Lichts von der einzelnen Kerze in der Mitte des Raumes. Sie hörte bewusst nicht auf die Pilgerglocke, als ein Neuankömmling sie streifte. Sie zwang sich, die erstickende Luft nicht zu riechen, nicht an den Druck der gedrängten Körper zu denken.
    Sich auf den Pilger konzentrieren. Seine Gnade spüren. Spüren, wie sich sein schützender Umhang um ihre Schultern legte. Wissen, dass er bei ihr, neben ihr, vor ihr und über ihr war, dass er bereit war, sie auf ihrer Mission durch Brianta zu führen, durch die Stadt der Tausend Götter.
    Nichts.
    Berylina öffnete ruckartig die Augen und bekämpfte den Drang, nach Siritalanus Hand zu greifen, Trost zu suchen wie ein Kind, das in der Nacht ein Kindermädchen sucht. Was begriff der Priester immerhin wirklich von der Art, wie sie die Götter erkannte? Wie viel konnte er wirklich über die Ansichten und die Klänge, die Geschmäcker und die Berührungen der Götter wissen? Wie konnte er begreifen, dass sie die Gottheiten selbst riechen konnte, dass sie sie schmecken konnte? Und wie würde er es interpretieren, dass sie jetzt nichts empfand?
    Berylina blieb auf Knien und kroch zum nächsten Altar. Sie blinzelte im trüben Kerzenschein und konnte gerade eben einen Elfenbeinkamm ausmachen, der in der Mitte eines goldenen Tuches lag. Seine Zinken waren mit der Zeit verwittert, die meisten davon gesplittert, so dass nur vier lange Zinken geblieben waren. Berylina stellte sich vor, wie Jairs Mutter sein Haar kämmte, seine ungebärdigen Locken zu annähernder Ergebenheit bändigte.
    Sie stellte sich das Gefühl des Elfenbeins unter ihren Fingerspitzen vor, die Art, wie sich der Kamm unter ihrer Hand erwärmen würde. Sie dachte daran, die vier kläglichen Zinken durch ihr eigenes Haar zu ziehen, das Werkzeug, um ihre drahtigen Knoten zu entwirren. »Heil, Heiliger Pilger Jair«, wiederholte sie mit Siritalanu. »Betrachte diese Büßerin mit Gnade und Mitgefühl, und segne die Reise, die sie in deinem Namen unternimmt. Behüte und bewahre sie vor Schaden, damit sie all den Tausend Göttern weiterhin in deinem Namen huldigen kann. Gesegneter Jair, wir danken dir für deine Führung und deine Weisheit in allen Dingen.«
    Sie konzentrierte sich auf jedes Wort, spürte bewusst jedes Element des Gebets. Jair würde gewiss zu ihr kommen, wenn sie ihre Beharrlichkeit bewies. Wenn er erst erkannte, dass sie nicht aufgeben würde, dass sie durch einen Moment unsichtbarer Stille in ihrem Geist nicht ins Schwanken geriete, musste er sein charakteristisches Muster offenbaren.
    Als der Erste Pilger fernblieb, schleppte sich Berylina zum nächsten Altar. Eine weitere Gläubige kniete dort, eine alte Frau, die eine runzlige Hand zu dem Löffel hob, der an seinem Ehrenplatz lag. Berylina konzentrierte sich auf den Schein des Kerzenlichts, der von der Schale des Gegenstandes abstrahlte – sie konnte erkennen, dass die winzige Flamme auf dem Zinn auf dem Kopf stand. Die Prinzessin versuchte, das Bild dazu zu benutzen, sich zu konzentrieren, ihre Aufmerksamkeit anzuregen. Sie war sich sicher, dass sie zu Jair hindurchgelangen könnte, sicher, dass sie ihren Wert beweisen könnte, indem sie auf Knien blieb, indem sie ihr Herz und ihre Seele öffnete.
    Immerhin hatten sich bereits einige der anderen Götter als schwer fassbar erwiesen, als sie ihnen zum ersten Mal begegnete. Als Berylina zum ersten Mal zu lauschen versuchte, zum ersten Mal etwas über das Chaos hinweg zu hören versuchte, das Liantines Gehörnte Hirschkuh in

Weitere Kostenlose Bücher