Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
treffen?«
»Heute Abend. Wenn die Glocken für Mern läuten.«
Die Glocken. Daran hatte man sich in dieser fremden Stadt erst gewöhnen müssen. Jeder Gott hatte seine eigene Zeit der Huldigung, seine eigene, ausschließliche Stunde am Tag oder in der Nacht. Glocken erklangen quer durch Brianta, in komplizierten Mustern, riefen die Gläubigen zu dem einen oder anderen Heiligtum. Es war recht üblich, dass Pilger mitten auf der Straße auf die Knie sanken, ihre Gewänder beschmutzten, um ihre Köpfe zu Ehren ihrer speziellen Götter auf die Straße zu senken. Ein Zeichen eines wahrhaft geweihten Pilgers war ein schwarzer Fleck auf der Stirn, vom beständigen zu Boden Senken verwurzelter Schmutz.
»Und wo?«, fragte Rani.
»Sie werden uns hier abholen.«
»Uns abholen?« Ihr gefiel nicht, wie das klang. Die Worte beinhalteten zu viele Erinnerungen daran, wie die Königliche Garde Amok lief, in Privathäuser eindrang, um Verräter abzuführen.
»Ja. Sie sagen, sie müssen ihren Standort geheim halten. Wie werden zum Treffpunkt begleitet.«
»Was ist mit Berylina? Was ist, wenn die Prinzessin uns braucht?«
»Sie hat Siritalanu«, sagte Tovin achselzuckend. »Und sie wird wohl kaum in der Nacht umherwandern. Selbst ihre Hingabe muss ihre Grenzen haben.«
»Gut.« Rani hatte Mühe, ihre Stimme gleichmütig klingen zu lassen. »Dann sollte ich diese Farben zu Ende mahlen. Ich würde nicht mitten in dieser Aufgabe stecken wollen, wenn sie eintreffen.«
Tovins Augen verengten sich bei ihrer demütigen Antwort, und sie erkannte, dass er protestieren wollte, dass er sich über ihre mühelose Akzeptanz beklagen wollte.
Dies war die Gefolgschaft, wollte sie ausrufen. Dies war die Schattenmacht, die sie während der vergangenen fünf Jahre auf Wunsch jederzeit hätte vernichten können. Sie hatte sich darin geübt, sie in Morenia nicht zu fürchten. Sie durfte ihre Entschlossenheit hier in Brianta nicht schwanken lassen. Selbst wenn sie viele Meilen von Zuhause entfernt waren. Selbst wenn sie von ihrem König, von ihrem Lehnsherrn, von all den Methoden der Macht getrennt waren, die sie kannte und verstand. Selbst wenn sie hungrig und durstig war und dem Mann fernbleiben musste, den sie liebte. Sie schluckte schwer.
Mair erhob sich. »Dann werde ich das Baby bei Chalita lassen.«
Die Dienerin Chalita war an ihrem ersten Tag in Brianta zu ihnen gekommen. Der Gastwirt hatte sie als jemanden empfohlen, die Erfahrung mit Kindern hatte. Er hatte gesagt, sie könnte sich um Laranifarso kümmern, wenn Mair beten müsste. Die Unberührbaren-Frau hatte die Gelegenheit, Tempel zu besuchen, nicht genutzt, aber sie hatte Chalita jeden Tag auf Laranifarso aufpassen lassen, während sie sich einige Stunden kostbaren Schlafs gönnte. Rani hielt den Blick auf Tovin gerichtet, als sie sagte: »Mair, du brauchst nicht mit uns zu kommen.«
»Ich bin ein Mitglied der Gefolgschaft. Ich komme mit.«
»Laranifarso braucht dich.«
»Laranifarso ist ein Baby. Er braucht jemanden, der ihn hält und sich um ihn kümmert und ihn vor Schaden bewahrt. Chalita kann das eine oder zwei Stunden lang tun. Ich sollte diese briantanische Gefolgschaft besser treffen und sehen, wie viele sie sind.«
Rani erschauderte, denn es klang so, als wollte Mair einen Feind identifizieren, eine gegnerische Macht ermessen. Rani wollte jedoch nicht streiten. Sie wollte Mair an ihrer Seite haben. Sie wollte bekannte Gefährten um sich haben, wenn sie dem mächtigen Geheimbund auf deren heimatlichem Boden begegnete.
Mair schloss die Tür hinter sich, und Rani blieb mit Tovin allein im Raum. Er trat neben sie. »Ocker?«, fragte er und betrachtete das Pulver.
»Ja.« Sie atmete tief ein, bot ihre Argumente auf, bereitete sich darauf vor, erneut zu erklären, warum die Aufgabe eine gute war, warum Meister Parion klug gehandelt hatte, sie ihr zu übertragen.
»Keine schlechte Idee.« Tovin zuckte die Achseln. »Du bekommst ein Gefühl für die Handhabung ihrer Ausrüstung. Sie können deine Waren mit der Malergilde tauschen.«
Rani gewährte ihm ein dankbares Lächeln. »Genau.«
»Aber du lässt die Partikel noch zu grob. Maler benötigen weitaus feinere Arbeit als wir Glasmaler.« Ihre ganze Erleichterung verwandelte sich in Zorn, als er sagte: »Komm. Lass es mich dir zeigen.«
Sie wusste, dass er nicht über sie hinweggreifen musste, um den Stößel zu bekommen. Er brauchte seine Finger nicht um ihre zu schließen. Er brauchte nicht den halben Schritt auf sie
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