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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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bot Leonora mit einer fragenden Handbewegung eine an. Als sie ablehnte, zündete er sich eine neue an und nahm einen großen Schluck Bier. Sie dachte an seine Worte. Nach Hause. Nach Venedig.
    Hier ist jetzt auch mein Zuhause.
    «Haben Sie damals in London die Entscheidung getroffen, hierher zurückzukehren?», fragte sie neugierig.
    «Nein, ich hatte eigentlich nie eine Wahl. Meine Eltern gestanden mir diese zwei Jahre zu, doch es war immer klar, dass ich zur venezianischen Polizei gehen würde. Das wusste ich ebenso gut wie sie.»
    «Warum?»
    Alessandro zuckte mit den Schultern. «Bardolino-Tradition. Vater, Onkel, Großvater ...»
    «Und, sind Sie glücklich?»
    «Ich werde es sein, wenn ich zur Kriminalpolizei wechsle. Das war schon immer mein Traum. Ich mache gerade die Ausbildung.»
    «Ihre Schlussfolgerungen in Bezug auf den fehlenden Ehering waren schon ganz schön überzeugend.»
    Er lachte ein wenig geschmeichelt. «Wie Sherlock Holmes, was? Na, wir werden ja sehen. Es hängt davon ab, ob ich die Prüfungen bestehe. In Venedig auf Streife zu gehen ist kein Vergnügen. Immer nur gestohlene    Kameras und verlorene Koffer - Touristenwehwehchen. Oder aber der langweüige Bürodienst. Und zu alledem stehen wir auch noch in dem Ruf, strohdumm zu sein. Wissen Sie, warum Polizisten in Venedig immer zu zweit auf Streife gehen?»
    Leonora schüttelte den Kopf.
    «Der eine kann lesen und der andere schreiben.»
    Sie lächelte.
    «Wenn Sie glauben, dass das schon schlimm ist, dann sollten Sie hören, was man sich über die Feuerwehr von Venedig erzählt: Auf der Feuerwache schalten sie nachts angeblich einen Anrufbeantworter ein, und die Bandansage teilt den Anrufern mit, dass man sich am nächsten Morgen um ihr Feuer kümmern wird.»
    Leonora lachte. «Habt ihr auf diese Weise das verloren?» Zehn Jahre zuvor war Venedigs herrliches Theater bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
    «Nein, daran war die Stadtverwaltung schuld. Der Kanal zum Fenice war so verschlammt, dass die /uoco-Boote der Feuerwehr nicht schnell genug hinkamen, um das Feuer zu löschen. Ich finde das unverantwortlich von der Gemeindeverwaltung. Die ganze Stadt fällt auseinander.»
    «Und versinkt?»
    Alessandro schüttelte den Kopf. «Von den Einwohnern glaubt keiner daran, dass die Stadt versinkt. Sie glauben aber durchaus, dass viele Leute die Furcht davor schüren, um Geld zu machen. Es gibt eine Menge sogenannter Fonds zur Erhaltung der Stadt, das meiste Geld daraus fließt allerdings in die Taschen der Beamten. Nein, die Touristen sind ein größeres Problem als das Wasser.»
    Leonora wunderte sich über diese Ansicht und war zugleich erfreut, dass Alessandro sie offenbar nicht zu dieser Kategorie zählte. «Die Touristen?», fragte sie. «Sind sie denn nicht sozusagen der Sauerstoff, den die Stadt zum Atmen braucht?»
    Wieder zuckte Alessandro die Achseln. «Ja schon, aber Sie wissen ja, wenn man mehr Sauerstoff einatmet, als der Körper braucht, hyperventiliert man. Auf jeden Einwohner von Venedig kommen heutzutage rund hundert Touristen. Das ist auch der Grund dafür, dass sich fast alle Einheimischen untereinander kennen. Wir halten zusammen. Und die Stadt wird weiter bestehen. Es gibt Venedig schon seit vielen hundert Jahren, und es wird noch weitere Jahrhunderte überdauern. Das ist charakteristisch für Venedig ... diese Beständigkeit.»
    Leonora nickte, während sie immer noch an den Wachstropfen herumzupfte. «Ich weiß, was Sie meinen.» Sie hatte mittlerweile den Eindruck gewonnen, ihm alles sagen zu können, also verriet sie: «Als ich Sie das erste Mal sah, fand ich, dass Sie aussehen wie einem Gemälde entstiegen. Ich weiß nur nicht welchem.»
    «Ich aber.» Er lächelte, verfolgte das Thema aber nicht weiter. «In Venedig ist das etwas ganz Alltägliches. Hier laufen viele Menschen herum, die die gleichen Gesichtszüge haben wie Menschen, die ein paar Jahrhunderte zuvor gelebt haben. Die gleichen Gesichter. Nur Venedig zeigt sein Gesicht nie. Die Stadt trägt immer eine Maske, und unter der Maske war sie schon immer korrupt.»
    «Wenn Korruption so weit verbreitet ist, dann gibt es ja für einen Kriminalbeamten genug zu tun.» Alessandro verzog das Gesicht. «Ja, wirklich. In Venedig sind schwere Verbrechen so interessant, wie die Kleinkriminalität langweilig ist. Kunstraub, Betrug, Schmuggel. Wie in einem richtigen Detektivroman eben.» Sie spürte den Ernst hinter seinen scherzhaften Worten. «Und wann sind die

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