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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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eigenes machen. Bei dieser Sache traue ich keiner Klinge, die ein anderer gefertigt hat.
    «Ja.»
    «Dann verbergt es in Eurer Hose, bevor Ihr das Gift trinkt. Ihr braucht es, um das Leichentuch zu zerschneiden und Euch aus der Erde zu graben.» Auch hier hielt der Franzose es für besser, Corradino nicht darauf hinzuweisen, dass der Arzt das Messer finden und an sich nehmen könnte. Das brachte ihn jedoch auf etwas anderes. «Übrigens, das Buch, das Ihr bei Euch tragt und in dem Ihr alle Einzelheiten Eurer Arbeit festhaltet...» Er brach ab, weil der Glasbläser überrascht nach Luft schnappte. Dann fuhr Duparcmieur ruhig fort: «Selbstverständlich wissen wir davon. Das Buch müsst Ihr ebenfalls am Körper verstecken. Wir können nur hoffen, dass es nach Eurem ... ahm, Tod ... nicht entdeckt wird. Schließlich brauchen wir nicht nur Euch, sondern auch Eure Geheimnisse, Corradino. Wenn wir Venedigs Glasmonopol brechen wollen, dürfen wir nicht zulassen, dass Euer Notizbuch in der Stadt bleibt. Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit», seine Stimme nahm einen nachdenklichen Ton an, «dass Ihr mir jetzt gleich das Buch anvertraut. Nein? Das habe ich mir gedacht.»
    Corradino schluckte. Er wusste sehr wohl, warum dem anderen daran gelegen war, sein Buch in die Hände zu bekommen. Falls er bei dieser Aktion sterben würde, blieben den Franzosen wenigstens seine Geheimnisse, und sie könnten auf eigene Faust versuchen, Glas nach venezianischem Vorbild herzustellen. Mit schwacher Stimme fragte er: «Und wenn ich draußen bin, was dann?»
    «Dann, mein Lieber», antwortete Duparcmieur leichthin, «tut Ihr genau das, was ich Euch jetzt sage.»
    Während die Dunkelheit hereinbrach, saß Corradino in seinem Haus auf Murano. Sein unruhiger Blick schweifte in dem einfachen, aber gemütlichen Zimmer umher, wurde aber immer wieder magisch von der Phiole in seiner Hand angezogen. Er hätte nicht zu sagen gewusst, wie lange er schon auf das Fläschchen aus dem einfachen grünen Glas starrte - und auf die dunkle, schimmernde Flüssigkeit mit dem leichten Bodensatz. Sie sah aus wie Kanalwasser. Hatte man den Franzosen etwa betrogen? Oder, schlimmer noch, hatte dieser ihm womöglich ein tödliches Gift gegeben? Vielleicht war Duparcmieur zu der Ansicht gelangt, dass es ein Fehler gewesen war, Corradino anzuwerben, und wollte ihn nun loswerden, da er schon zu viel wusste. Oder er glaubte, auf Corradino verzichten zu können, und hatte es lediglich auf dessen Aufzeichnungen abgesehen. Um diese Gedanken zu verscheuchen, begutachtete Corradino das Glasfläschchen mit sachkundigem Blick. Die Oberfläche war uneben, doch der Stopfen passte genau, und das Glas hatte eine hübsche Färbung.
    Es ist schon merkwürdig, dass mein Schicksal ausgerechnet von einer Glasphiole abhängt.
    Plötzlich musste er an Giacomo denken, und sein Herz wurde ihm schwer. Es war, als würde er abermals seinen Vater verlieren. Außerdem schlug ihm das Gewissen angesichts des Schmerzes, den Giacomo empfinden würde, wenn er entdeckte, dass sein Ziehsohn tot war.
    Heute Abend wollte er den Alten zum letzten Mal besuchen.
    Giacomo.
    Konnte er, Corradino, das seinem Freund wirklich antun? Ihn in dem Glauben lassen, dass er tot sei, während er gesund und munter mit Leonora in Frankreich lebte? Duparcmieur hatte ihm eingeschärft, niemandem von dem Plan zu erzählen. Aber Giacomo? Ihm durfte er es doch bestimmt verraten ... oder ihm zumindest einen Hinweis geben.
    Bevor er es sich anders überlegen konnte, zog Corradino den Stopfen aus der Flasche und leerte sie mit ein paar Zügen. Er schluckte krampfhaft, um sich nicht vor Angst übergeben zu müssen. Wenn er das Gift wieder ausspuckte, wäre alles verloren. Er spürte einen leichten Mandelgeschmack auf der Zunge und fühlte sich seltsam schwindelig, geradezu berauscht. Dann riss er ein Blatt aus seinem Büchlein, griff zur Feder und schrieb etwas auf das Pergament. Während er die Wörter mit Sand bestreute, hoffte er inständig, dass sie sich bewahrheiten würden. Dann machte er sich auf den Weg zu Giacomo und ließ unterwegs das Fläschchen unauffällig in den Kanal fallen. Das Gift kreiste bereits in seiner Blutbahn.
    Seine noch ziemlich tauben Finger bewegten sich wie eine bleiche Erdspinne an seinem Bein entlang nach unten, bis sie auf das schwarze, breite denta stießen, das in seiner Kniehose verborgen war. Daneben ertasteten sie die Umrisse des Pergamentbüchleins. Corradino war    erleichtert, dass

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