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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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grazil, der sich spindelförmig nach unten hin verlängert, die Spitze über meinem verhüllten Kopf. Ich lasse Schäufelchen und Harke liegen, trete zurück und reibe heftig die Finger aneinander, auch wenn das mit Gartenhandschuhen schwierig ist, schiebe die linke Hand nach vorn, um so zu tun, als hielte ich irgendetwas, während die rechte in diesem Irgendetwas wühlt, das ich zu halten vorgebe.
    »Ich su-che«, sage ich Silbe für Silbe durch meine Plastiktüte.
    »Ich suche nur«, wiederhole ich. Ich spreche, wie Bocca mit Morana gesprochen hat.
    Der Yuppi-Du -Schwarm verändert seine Form nicht; da gebe ich mit der Hand ein Zeichen zu warten, nehme die Känguru-Stellung ein und mache drei Sprünge.
    »Nur einen Moment, ich gehe gleich«, schreie ich zum Himmel und bücke mich schnell wieder mit dem Schäufelchen zwischen die Bretter.
    Endlich, auch wenn ich sie nicht sehe, stöbere ich die Königin auf: Ein Strom von Bienen stößt heraus, steigt hoch und vereinigt sich mit dem restlichen Schwarm. Ich entferne mich vielleicht zwanzig Meter, befreie mich von Plastiktüte und Pullover und sauge den ausströmenden Geruch nach Limone des pheromonischen Sturms ein. Inzwischen umkreisen die Bienen eine Gießkanne, die auf dem Rasen einer Villa steht; ein paar Sekunden lang kann ich ihr Orange wahrnehmen, dann wird sie gelb und schwarz.
    Nachts sehe ich im Traum nur Schwärme. Alles, was ich träume, jede Figur ist in kleine bewegliche Teilchen zerlegt, als ob ich die atomare Struktur des Traums träumte, das Wirbeln der Elektronen um den onirischen Kern, das chemische Summen, das die Körper erzeugen. Eines Nachts träume ich vom kreolischen Mädchen in Partikeln, ihre Form reduziert auf wirbelnden Staub - oder
vielleicht nicht reduziert, sondern erhoben, aufgenommen in die ursprüngliche Dimension vor der Entdeckung ihres Namens und des Wissens um ihre Geschichte, erkannt in dem Augenblick, da alles begann, am Quell der Wahrnehmung: das kreolische Mädchen, das endlich und erneut unberührte Kreatur ist. Im Traum steht das kreolische Mädchen fest am Himmel, erhaben, und schaut in meine Richtung, auch wenn das kein Blick ist, denn ihr Blick ist wie der ganze Körper dunkle staubige Materie, doch ich weiß, dass sie zu mir schaut, und man hört nichts, kein Summen, da ist nur ihr stummer Anblick, die Ausgrenzung jedes Tons, die Stille, die sich ununterbrochen ereignet. Einen Augenblick, bevor ich erwache, beginnt ihre Wolke zu zerfallen, ihr Bauch löst sich auf, und aus den Eingeweiden des kreolischen Mädchens bricht die Stille in Form von Feuer heraus.
    Am letzten Augusttag kehre ich spätnachmittags erneut nach Addaura zurück. Ich laufe lange herum, ohne irgendetwas zu finden. Dann, als es Abend wird, bemerke ich ein Dutzend Kundschafterinnen, die nach dem letzten Flug ins Nest zurückkehren, und folge ihnen mit dem Blick. Weiter hinten, in einem beleuchteten Teil der Straße, steht ein Baum, neben dem ein kleiner Schwarm anderer Bienen summt. Bevor ich etwas unternehme, gehe ich zurück auf die Strandpromenade, suche eine Telefonzelle. Ich finde ein gelbes Viereck mit einem dunkelgrauen Telefonkasten an einer Stange. Ich nehme eine Telefonmünze, stecke sie falsch herum ein, sodass die Auskehlung nicht passt, drehe sie um, mache es richtig. Ich wähle die Nummer, der Lappen meldet sich, ich sage ihm, dass ich zum Abendessen bei einem Kameraden bleibe. Ich sage nur dies. Bei einem Kameraden. Nichts Genaueres. Ich schärfe dem Lappen ein, dass er es ausrichten soll, lege auf und kehre zu dem neuen Bienenstock zurück. Diesmal arbeite ich schnell, gehe um den Baum herum, studiere die Örtlichkeit. Ich entferne mich, erreiche die Böschung, die zur Straße ansteigt, suche mir ein Bambusrohr, ziehe die Schutzkleidung an, schlage mit dem Bambusrohr gegen den Stamm und mische den Bienenstock mit der Spitze auf, reize ihn, bis der Schwarm sich
zerstreut und sich dann in einer Wolke verdichtet. Nur dass sich diesmal die Anzahl der Bienen vervielfacht hat. Es ist, als hätte sich in den letzten Tagen ihre Wut bis zu dem Punkt gesteigert, eine Allianz zwischen den einzelnen Völkern zu bilden: Die Wolke dehnt sich hektisch am Himmel aus, erfüllt ihn, das Licht des Abends verschwindet, und an seiner Stelle lassen die Bienen es Nacht werden.
    Beim Exodus ist die dritte Plage, die Gott den Ägyptern auferlegt, als der Pharao das Volk Israel nicht aus der Gefangenschaft entlassen will, die der Stechmücken. Gott befiehlt

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