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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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nicht?«
    »Weil es niemanden gibt, der nichts getan hat«, sagt er. »Die Verwicklung ist allgemein und unvermeidlich. Wir werden geboren: Wir sind verwickelt.«
    Strahl, der an der linken Seite des Autos kauert, gibt uns ein Zeichen, still zu sein. Er hat den Rucksack schon ausgepackt. Flug fixiert mich, sagt, es sei nützlicher, wenn ich an der Straßenecke Wache stehe. Es werde vermutlich niemand kommen, aber es sei besser, sicherzugehen. Ich antworte nicht und entferne mich. Flug geht zu Strahl, sie sprechen zwanzig Sekunden miteinander, es gibt eine Meinungsverschiedenheit, man spürt die Spannung. Dann
steht Strahl auf und geht zur anderen Ecke, in die mir entgegengesetzte Richtung, während Flug mit der Arbeit anfängt. Er bricht den Tankdeckel mit der Zange und dem Eisenstück auf. Dass er ihn schon am Nachmittag gelockert hat, erleichtert die Arbeit. Er macht die beiden Zündschnüre fertig, wickelt den Bindfaden eng um die Watte. Dann taucht er die erste Zündschnur in den Sprit, ungefähr fünfzig Zentimeter tief; als sie vollgesogen ist, wickelt er sie um den kleinen Metallstab und drückt ihn in die Öffnung des Tanks, bis er verschwindet. Dann dreht er einen der Lumpen fest zusammen, tränkt ihn mit dem Sprit und stopft ihn in den Tank, lässt aber ein kleines Stück heraushängen. Er nimmt die zweite Zündschnur - länger als die erste, ungefähr drei Meter -, tränkt auch diese mit dem Sprit, verknüpft den Anfang mit dem Stück Lumpen, das aus dem Tank hängt, und rollt sie ab, indem er sich so weit wie möglich vom Auto entfernt. Eine helle Schnur, die sich in einer Sinuslinie über die Fahrbahn zieht.
    Plötzlich beginnt der Genosse Strahl mit den Armen zu fuchteln. Er zeigt hinter sich und macht nacheinander John Travolta, Celentano und das Känguru aus Woobinda: ›Unvorhergesehenes‹, ›drohende Gefahr‹, ›weggehen‹. Flug bekommt nichts mit. Also mache auch ich John Travolta und stoße wütend die Hand gen Himmel, doch es hat keinen Sinn, Flug ist auf die letzten Phasen des Zündens konzentriert und sieht mich nicht. Ein Dutzend Sekunden hält dieser Stillstand an: Strahl und ich am Rand des Bürgersteigs, wie wir den Falken und das Känguru machen, Flug sechzig Meter weiter, an der Spitze eines gleichschenkligen Dreiecks, um die weiße Schlange zu zähmen.
    Dann, endlich, das Reiben des Streichholzes an der Schachtel - ein Geräusch, als würde der Bauch eines Tieres aufgeschnitten -, die sofortige Verbindung von Phosphor und Sauerstoff, ein kurzes Aufflammen und schließlich ein kleiner, blasser Feuerball, der sich mit einem Kollern zurechtrückt und über den Körper der Schlange zu laufen beginnt.
    Jetzt ist Strahl nicht mehr auf seinem Posten und rennt auf Flug zu. Ich frage mich, was ich tun soll, ob da irgendetwas ist, das
ich tun muss. Die Zündschnur brennt sehr viel langsamer, als wir gedacht hatten. Flug geht noch einmal in die Hocke und versucht sie weiter vorne anzuzünden, damit das Feuer schneller das Auto erreicht. Inzwischen tauchen aus der Richtung, in die Strahl vor Kurzem gezeigt hat, vier Leute auf, zwei Jungen und zwei Mädchen, die sich unterhalten und näherkommen, und im gleichen Moment packt Strahl Flug, schüttelt ihn, schiebt ihn weg, doch Flug leistet Widerstand, kauert sich erneut über die Flamme, hält sie am Leben, lässt sie auflodern, und da renne auch ich zu ihnen, ich höre die Schritte auf dem Asphalt, es tut mir in der Seite weh, weiter oben pulsiert und schmerzt die Rippe, ich erreiche die beiden anderen und fasse Flug am Arm, doch er entwindet sich, ich packe ihn am Hals, und er fällt nach hinten, während das Feuer jetzt lustig die Zündschnur entlanghüpft und Strahl darauftritt, aber nicht schafft, es auszutreten, den Rucksack nimmt und auf mich zukommt, der ich Flug zurückhalte, der wieder Scarmiglia geworden ist, und auch Strahl ist wieder Bocca geworden, hat Tränen in den Augen und hilft mir, Scarmiglia auf die andere Seite der Straße zu ziehen, wir machen schnell, zwanzig dreißig vierzig Meter und laufen und ziehen weiter; als wir weit weg sind, wende ich den Kopf und sehe, dass aus der Einmündung der Via Nunzio Morello die vier Leute auftauchen, ich höre sie lachen, und ein Mädchen singt aus voller Kehle einen Schlager dieses Sommers, in dem es heißt, dass keine Zeit bleibt, diesen endlosen Strom, der uns fortträgt, aufzuhalten, und da erfüllt mich Wut, weil es absurd ist, es gibt keinen Grund dafür, dass es so geht, ich laufe

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