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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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eine olympische Mannschaftsmeisterin, und hinter und über all diesen Feigen hingen noch viele andere, die ich nicht genau erkennen konnte.
    Ich sah mich in der Gabel dieses Feigenbaumes sitzen und verhungern, bloß weil ich mich nicht entscheiden konnte, welche Feige ich nehmen sollte. Ich wollte sie alle, aber eine von ihnen nehmen bedeutete, alle anderen verlieren, und während ich dasaß, unfähig, mich zu entscheiden, begannen die Feigen zu schrumpfen und schwarz zu werden und plumpsten eine nach der anderen auf den Boden unter mir.
    Constantins Restaurant duftete nach Kräutern, Gewürzen und saurer Sahne. Während der ganzen Zeit in New York hatte ich ein solches Restaurant nie gefunden. Ich fand nur die »Heavenly Hamburger«-Lokale, in denen man an einer sehr sauberen Theke vor einem langen, blitzenden Spiegel riesige Hamburger, Tagessuppe und vier Sorten Gebäck bekommt. Zu diesem Restaurant mußten wir sieben schwach beleuchtete Stufen in eine Art Keller hinuntersteigen.
    Reiseplakate hingen an den rauchgeschwärzten Wänden wie Fenster, die Aussicht auf Schweizer Seen und japanische Berge und südafrikanisches Buschland boten, und staubige Flaschenkerzen, die aussahen, als hätten sie jahrhundertelang ihren farbigen Wachs, rot über blau über grün, zu einem feinen, dreidimensionalen Spitzenmuster verweint, tauchten jeden Tisch in einen Lichtkreis, den gerötete, selbst flammende Gesichter zu umschweben schienen.
    Ich weiß nicht mehr, was ich aß, aber nach dem ersten Bissen fühlte ich mich unendlich viel besser. Mir kam der Gedanke, daß meine Vision von dem Feigenbaum und all den dicken Feigen, die verschrumpften und herunterfielen, womöglich aus dem Abgrund eines leeren Magens aufgestiegen war.
    Constantin füllte unsere Gläser immer wieder mit süßem griechischen Wein, der nach Pinienrinde schmeckte, und irgendwann merkte ich, daß ich ihm gerade erzählte, ich würde nun bald Deutsch lernen und nach Europa gehen und Kriegsberichterstatterin werden wie Maggie Higgins.
    Als wir beim Joghurt mit Erdbeermarmelade angelangt waren,fühlte ich mich so wohl, daß ich beschloß, mich von Constantin verführen zu lassen.
    Seit mir Buddy Willard von seiner Kellnerin erzählt hatte, war mir immer wieder durch den Kopf gegangen, daß ich vielleicht selbst mit jemandem schlafen sollte. Mit Buddy schlafen zählte allerdings nicht, es mußte jemand anderes sein, sonst wäre er mir noch immer eine Person voraus gewesen.
    Der einzige Junge, mit dem ich jemals direkt über das Zusammenschlafen gesprochen hatte, war ein verbitterter Südstaatler aus Yale mit einer Adlernase, der eines Samstags im College aufkreuzte und feststellen mußte, daß das Mädchen, mit dem er sich verabredet hatte, tags zuvor mit einem Taxifahrer davongelaufen war. Da das Mädchen in meinem Haus gewohnt hatte, fiel mir die Aufgabe zu, ihn aufzumuntern.
    Im Café des Ortes, in einer der von hohen hölzernen Rückenlehnen abgeschirmten Sitznischen mit Hunderten von eingeritzten Namen, tranken wir eine Tasse schwarzen Kaffee nach der anderen und unterhielten uns ganz offen über Sex.
    Dieser Junge – er hieß Eric – sagte, er finde es abstoßend, wie ungeniert alle Mädchen an meinem College vor der Sperrstunde um eins unter den Lampen auf den Veranden oder zwischen den Büschen herumstanden und wie verrückt knutschten, so daß jeder, der vorüberkam, es sehen konnte. Eine Million Jahre Evolution, sagte Eric erbittert, und was sind wir? Tiere.
    Dann erzählte er mir, wie er zum erstenmal mit einer Frau geschlafen hatte.
    Er hatte im Süden einen Kurs zur Vorbereitung aufs College besucht, der darauf spezialisiert war, aus den Teilnehmern komplette Gentlemen zu machen, und es gab ein ungeschriebenes Gesetz, daß man vor dem Abschluß eine Frau erkannt haben mußte. Erkannt im biblischen Sinne, sagte Eric.
    Also waren Eric und ein paar Klassenkameraden eines Samstags mit dem Bus in die nächste größere Stadt gefahren und hattenein bekanntes Bordell besucht. Erics Hure hatte sich nicht mal ausgezogen, eine dicke Frau im mittleren Alter mit rotgefärbtem Haar, verdächtig dicken Lippen und rattengrauer Haut. Sie hatte das Licht nicht ausgeschaltet, also hatte er es unter einer mit Fliegendreck bekleckerten Fünfundzwanzigwattbirne mit ihr getrieben, und mit dem, wovon alle immer schwärmten, hatte es nichts zu tun gehabt. Es sei so langweilig gewesen, wie wenn man aufs Klo geht.
    Ich wandte ein, wenn man eine Frau liebte, käme es einem

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