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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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Hotelzimmer. Ich hielt den Atem an, doch das Atmen hörte nicht auf.
    Neben mir auf dem Bett glimmte ein grünes Auge. Es war in Viertel geteilt wie ein Kompaß. Langsam griff ich nach ihm und umschloß es mit der Hand. Ich hob es hoch. Mit ihm kam ein Arm auf mich zu, schwer wie der Arm eines Toten, aber warm vom Schlaf.
    Auf Constantins Uhr war es drei.
    Er lag da in Hemd und Hose, mit Socken an den Füßen, wie ich ihn zurückgelassen hatte, als ich eingeschlafen war, und als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich die bleichen Augenlider und die gerade Nase und den geduldigen, wohlgeformten Mund, aber sie wirkten körperlos, wie auf Nebel gezeichnet. Ein paar Minuten lang beugte ich mich hinüber und betrachtete ihn. Ich war noch nie neben einem Mann eingeschlafen.
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wäre, mit Constantin verheiratet zu sein.
    Es würde bedeuten, um sieben aufzustehen und ihm Eier und Schinken und Toast und Kaffee herzurichten und, wenn er zur Arbeit gegangen war, im Morgenrock, mit Lockenwicklern im Haar herumzutrödeln, die schmutzigen Teller abzuspülen, das Bett zu machen, und wenn er dann nach einem abwechslungsreichen, faszinierenden Tag nach Hause kam, würde er ein ausgiebiges Abendessen erwarten, und ich würde den Rest des Abends noch mehr schmutzige Teller abspülen und zuletzt völlig erschöpft ins Bett fallen.
    Für ein Mädchen, das fünfzehn Jahre lang immer nur glatte A's nach Hause gebracht hatte, schien das ein trostloses Leben zu sein, aber ich wußte, so war es, wenn man heiratete, denn Kochen und Putzen und Waschen war genau das, was Buddy Willards Mutter von morgens bis abends tat, und sie war mit einem Universitätsprofessor verheiratet und war selbst Lehrerin an einer Privatschule gewesen.
    Einmal, als ich Buddy besuchen wollte, hatte ich Mrs. Willard getroffen, wie sie gerade dabei war, aus Stoffstreifen von Mr.Willards alten Anzügen einen kleinen Teppich zu flechten. Wochenlang hatte sie schon an diesem Teppich gearbeitet, und ich bewunderte das Muster aus braunen und grünen und blauen Tweedtönen, aber als Mrs. Willard fertig war, hängte sie den Teppich nicht etwa an die Wand, wie ich es getan hätte, sondern legte ihn in die Küche, dorthin, wo ihre alte Matte gelegen hatte, und nach wenigen Tagen war er schmutzig und unansehnlich und nicht mehr zu unterscheiden von irgendeiner x-beliebigen Matte, die man im Kaufhaus für weniger als einen Dollar kaufen konnte.
    Und ich wußte, trotz aller Rosen und Küsse und Essen im Restaurant, mit denen der Mann die Frau überschüttete, bevor er sie heiratete, war er insgeheim darauf aus, daß sie sich nach der Hochzeit unter seinen Füßen flach machte wie Mrs. Willards Küchenmatte.
    Hatte mir nicht meine eigene Mutter erzählt, sobald sie und mein Vater von Reno aus in die Flitterwochen aufgebrochen seien – mein Vater war schon einmal verheiratet gewesen, deshalb brauchte er eine Scheidung –, habe mein Vater gesagt: »Jetzt müssen wir zum Glück nicht mehr schauspielern und können wieder wir selbst sein«? Von diesem Tag an hatte meine Mutter keine ruhige Minute mehr gehabt.
    Mir fiel auch ein, wie Buddy Willard einmal in düster wissendem Ton gesagt hatte, wenn ich erst Kinder hätte, würde ich anders denken, dann würd ich keine Gedichte mehr schreiben wollen. Deshalb überlegte ich mir, daß es vielleicht wahr sei, daß Heiraten und Kinderkriegen wie eine Gehirnwäsche war und daß man nachher nur noch benebelt herumlief, wie ein Sklave in einem totalitären Privatstaat.
    Während ich Constantin betrachtete, wie man einen schimmernden, unerreichbaren Kiesel am Grund eines tiefen Brunnens betrachtet, öffneten sich seine Augenlider, er sah durch mich hindurch, und seine Augen waren voller Zärtlichkeit. Stumm beobachtete ich, wie sich das Wiedererkennen über dieverschwommene Zärtlichkeit schob und wie die weit geöffneten Pupillen blank und untief wurden wie Lackleder.
    Constantin setzte sich auf und gähnte. »Wie spät ist es?«
    »Drei«, sagte ich mit tonloser Stimme. »Ich gehe besser nach Hause. Ich muß morgen früh arbeiten.«
    »Ich fahre dich.«
    Als wir Rücken an Rücken jeder auf seiner Seite des Bettes saßen und in dem schrecklich wach machenden weißen Licht der Nachttischlampe mit unseren Schuhen hantierten, spürte ich, wie Constantin sich umdrehte. »Ist dein Haar immer so?«
    »Immer wie?«
    Er antwortete nicht, sondern schob seine Hand tief in mein Haar und ließ

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