Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
keine Schreibfeder«, korrigierte sie und war froh, einen Grund zu finden, sich ein wenig von ihm zu entfernen. »Seht her, ich habe eine ähnliche.« Antonia zeigte sie ihm. »Es handelt sich um eine Zeichenfeder. Der Kiel ist wesentlich feiner und beweglicher. Villefranche war selbst ein Zeichner, wenn auch nur ein mittelmäßiger. Er hat mir einige seiner Werke gegeben, damit ich sie für die Kathedrale in Toulouse bearbeiten kann. Hier bitte, das sind sie, ziemlich nichtssagend.«
Sandro blätterte abwesend durch die Entwürfe des Erzbischofs. »Schreibfeder, Zeichenfeder, ich wüsste nicht, wie uns das helfen könnte«, sagte er seufzend. »Julius ist in der Stadt, Luis wird seine Geschichte vom Überfall des Satans auspacken, und ich stehe mit leeren Händen da. Ich bin kurz davor aufzugeben, wirklich. Einen kurzen Moment, einen Tag vielleicht habe ich geglaubt, ich sei ein Ermittler, ein Schlaukopf. Aber ich weiß nichts, gar nichts. Nach tagelangen Untersuchungen und Verhören weiß ich so viel wie Luis, nur dass er kreativ ist und ich nicht. Besser, ihr verschwindet alle über die Grenze, bevor Luis den Hexenhammer schwingt.«
Unmöglich für sie zu verschwinden. Wie stellte er sich das vor? Dass sie aufstehen und hinausgehen würde wie aus einem Buch, einer Geschichte, die man nur durch Zufall in die Hand bekommen hatte und nun weglegte, weil man müde geworden war, darin zu blättern?
»Ihr werdet mir ein bisschen zu aufopferungsvoll«, sagte sie. »Ich will nicht fliehen, das sieht aus, als wäre Carlotta schuldig. Aber das ist sie nicht. Wenn sie über die Grenze geht, dann als unbescholtene Frau. Soll sie für immer vor der Inquisition davonlaufen? Dasselbe gilt für Inés. Ich habe erlebt, dass Ihr sie und Carlotta respektiert, Ihr könnt also nicht wollen, dass die beiden zu Verbrecherinnen erklärt werden. Außerdem bringe ich Dinge, die ich angefangen habe, gerne zu Ende.«
»Schöner Vortrag. Und wie geht es weiter?«
»Ich weiß auch nicht. Wir müssen uns anstrengen. Ihr erzählt mir, was Ihr herausgefunden habt. Vielleicht fällt mir etwas auf, das Euch entgangen ist.«
Sie setzte sich auf ein Kissen auf dem Boden und zog die Beine an. Herausfordernd blickte sie zu ihm hoch.
Er ließ er sich darauf ein, denn er hatte nichts zu verlieren und betrachtete sie als den einzigen Menschen, dem er sich restlos anvertrauen durfte. Sandro berichtete von Bertani, vom Diener Lippi, vom Säufer Bolco, von dem Gespräch mit dem jungen Drucker, der Konzilssitzung im kleinen Kreis, seinem anschließenden Versöhnungsversuch mit Matthias und dem Fund der Geldschatulle in Villefranches Quartier, von dem Forli ihn informiert hatte. Er ließ sich Zeit, berichtete ausführlich, gab Gespräche so exakt wie möglich wieder und ließ auch Details nicht aus.
Sie ihrerseits gab ihm das Wenige weiter, das er noch nicht wissen konnte: den Besuch von Matthias vor der Konzilssitzung, dass sie ihm von Toulouse erzählt hatte, Villefranches Rückzieher, für den Matthias verantwortlich war, wie er ihr vorhin bestätigt habe …
In diesem Moment wurde sie stutzig wegen ihrer eigenen Worte. »Sagtet Ihr, in Villefranches Quartier seien Gulden der Eidgenossenschaft gefunden worden?«
»Gemeinsam mit venezianischen Dukaten, ja.«
»Findet Ihr das nicht seltsam?«
»Selbstverständlich. Eine ungewöhnliche Zusammenstellung.«
»Ihr habt Euch mit Villefranche unterhalten, bevor die Konzilssitzung begann?«, fragte sie.
»Über Kunst, Ihr wisst doch, wie er war. Wir waren als Erste da, und er hat mich in Grund und Boden geredet, hat über seine Kathedrale gesprochen und wie er sie mit Euren Fenstern schmücken will und … Augenblick.«
»Versteht Ihr, was mich irritiert?«
»Gebt mir noch drei Atemzüge«, sagte er und blickte überall und nirgendwo hin.
»Beachtet vor allem die Zeitfolge«, ergänzte sie. »Unmittelbar vor der Sitzung erzähle ich Matthias von Toulouse. Zu diesem Zeitpunkt hält Villefranche noch an dem Auftrag fest, schwärmt Euch gegenüber sogar davon. Unmittelbar nach der Konzilssitzung sagt er jedoch ab, obwohl Matthias …«
»… obwohl Matthias gar keine Gelegenheit hatte, allein mit Villefranche zu sprechen«, vervollständigte Sandro den Satz. »Das würde ja bedeuten …«
»Ja«, sagte sie, genau das bedeutet es. Unfassbar, nicht wahr?«
Sandro sank gegen die Stuhllehne und griff sich an die Stirn. Er brauchte eine Weile, bis er sagte: »Entweder der Papst ist ahnungslos, dann
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