Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
Assistent.«
Matthias schmunzelte und leckte sich die Lippen. »Assistent, ja? Ist es nicht ein wenig fehl am Platz, mit einem Assistenten hierherzukommen und das Gespräch mit mir zu suchen? Ich meine, Ihr seid Delegierter, ich bin Gesandter – was soll da ein kleiner Assistent?«
»Oh, Bruder Carissimi ist mehr als das. Er ist mein wichtigster …«
»Ich bin Visitator«, unterbrach Sandro, verärgert über die Kränkung. Wieder überkam ihn der Mut wie ein Regenschauer, diesmal vermischt mit der Lust, Matthias in die Schranken zu weisen. »Päpstlicher Visitator«, betonte er. »Ich untersuche den Tod von Bischof Bertani.«
Matthias’ Miene verdunkelte sich schlagartig, und er wurde unsicher – jedenfalls glaubte Sandro, das zu beobachten. Ein Gefühl, als könne er Bäume ausreißen, durchströmte Sandro. Er war stark. Er war stärker als Matthias. Er brauchte sich nicht zu verstecken, stand auf Augenhöhe. Er konnte ihm – ohne sich zu schämen – in die Augen sehen.
Das Gefühl hielt zwei, drei Atemzüge an, dann packte ihn das Gewissen und streckte ihn nieder. Jetzt war er nur wieder ein Mönch, weniger noch, er war ein Mann, der vor seiner Schande geflohen war.
Luis trat einen Schritt vor. »Dürfen wir eintreten?«
»Wozu?«
»Nun, um eine Unterhaltung zu führen. Wir wollen beide dasselbe, nicht wahr? Die Wiedervereinigung der Kirche herbeiführen.«
»Ja, aber Ihr seid vom Papst zum Konzil geschickt worden, um die nötigen Reformen zu verhindern.«
»Und Ihr wollt die Kirche auf den Kopf stellen.«
»Ohne Reform keine Vereinigung.«
Luis blinzelte gelassen. »Ihr müsst langsam anfangen aufzuwachen, mein Sohn. Luther ist seit fünf Jahren tot, und vor vier Jahren war in Mühlberg an der Elbe der protestantische Traum ausgeträumt.«
Die Erwähnung Mühlbergs war eine Provokation, eine absichtliche natürlich. 1547 war dort das Heer des Schmalkaldischen Bundes, also der protestantischen Landesfürsten, vom katholischen Kaiser Karl V. vernichtend geschlagen worden. Der Kaiser hatte damit verhindert, dass sein Reich in zwei Teile zerbrach. Seine Macht war nach dem Sieg so groß, dass er die Protestanten dazu brachte, ihre starre Haltung aufzugeben und eine Wiedervereinigung mit Rom ins Auge zu fassen, sobald die Römische Kirche sich reformiert habe.
Matthias’ glattes, kantiges Gesicht verhärtete sich noch mehr. »Ich bin nicht Euer Sohn«, sagte er, was – wie Sandro zufrieden feststellte – eine ziemlich schwache Erwiderung war. Luis hatte den Finger auf seine Wunde gelegt.
»Ihr werdet mich jetzt entschuldigen«, sagte Matthias.
Ohne weiteres Abschiedswort schloss er die Tür – geräuschvoller, als es nötig gewesen wäre.
Luis schmunzelte, und sie entfernten sich schweigend von der Casa Volterra. Sandro war froh, Zeuge dieser Unterredung geworden zu sein. Denn alles, was Matthias verletzte, erfreute ihn.
»Ich gratuliere dir«, sagte Sandro. »Du hast den Gesandten, glaube ich, ziemlich eingeschüchtert.«
Luis sah aus, als habe er bereits darauf gewartet. »Danke sehr, Sandro. Ich bin in der besseren Position, und das habe ich ihn spüren lassen.«
Sandro erinnerte sich an das, was der Fürstbischof ihm bei der Audienz gesagt hatte: dass der Papst – und damit Luis – keineswegs in einer günstigen Position war, da der Kaiser erheblichen Druck auf Julius III. ausübte, Reformen zu unterstützen. Wieso tat Luis so, als könne Matthias ihm nicht gefährlich werden? Dass er sich gegenüber Matthias überlegen zeigte, war eine verständliche Einschüchterungstaktik, aber ihm, Sandro, gegenüber war er stets ehrlich gewesen.
»Übrigens«, sagte Luis, »woher kennst du Hagen?«
Diese Frage traf Sandro unvorbereitet. »Woher ich ihn …? Woher weißt du …?«
Luis zuckte die Schultern. »Dass ihr euch kennt? Das war unübersehbar! In deinen Augen, Sandro, kann man nicht gut lesen, das habe ich dir beigebracht, aber in Hagens Augen sehr wohl. Ihr seid Rivalen gewesen, richtig? Und da du nach deinem Eintritt in den Orden das Kolleg so gut wie nie verlassen hast, gehe ich davon aus, die Rivalität stammt noch aus der Zeit vor deiner Berufung. Eure Feindschaft ist so groß, dass du seine Stichelei nicht ertragen und dein neues Amt erwähnt hast. Meine letzte Vermutung, dich und Hagen betreffend, ist – damit will ich es dann bewenden lassen -, dass es um eine Frau ging.«
Sandro seufzte. Wollte Luis ihm mit dieser eindrucksvollen Parade vor Augen führen, wie töricht es
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