Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
dabeizustehen, wenn du … Ich verstehe das ja, du bist es gewöhnt, dass du redest und ich dabeistehe. Nur in diesem Fall … Hätte ich dir die Rede nicht aus der Hand genommen, würde ich sie jetzt immer noch nicht kennen. Und dann deine Fragen an Lippi … Ich hätte sie anders gestellt und ihn nicht gleich verdächtigt.«
»Angriff ist nun einmal meine Vorgehensweise.«
»Ja eben, es ist deine. Und noch etwas: Du hast mich bisher nicht gefragt, was ich von Lippi und überhaupt von der ganzen Tat und von dem, was wir bisher darüber wissen, halte.«
»Ich wollte damit warten, bis wir den Besuch beim Arzt hinter uns haben.«
»Ich denke«, sagte Sandro, »ich werde erst einmal allein mit dem Arzt sprechen.« Und er fügte höflich hinzu: »Falls du nichts dagegen hast.«
Ein Moment verstrich, in dem nur zwei Frauen an gegenüberliegenden Fenstern zu hören waren, die sich über ihre Männer beschwerten, die letzte Nacht wieder einmal nicht nach Hause gekommen waren.
»Nein«, sagte Luis gedehnt, und es war eines der wenigen Male in all den Jahren, dass Sandro eine leichte Unsicherheit in seiner Stimme ausmachen konnte. Sie war bereits wieder wesentlich fester, als er ergänzte: »Du hast alles, was man braucht, um eine schwierige Aufgabe wie diese zu bewältigen. Du bist klug und hast ein gutes Auge. Ich kenne keinen Menschen, zu dem ich größeres Vertrauen habe.«
Das Lob kam so unerwartet – Luis lobte so gut wie nie -, dass Sandro ein schlechtes Gewissen bekam. Luis hatte es gut mit ihm gemeint, er hatte ihn protegiert, und alles, was Sandro einfiel, war, ihn deswegen zur Rede zu stellen und auszusperren. Er hatte noch immer nicht die geringste Ahnung, ob er das Richtige tat, aber er war erleichtert, dass Luis es so gut aufnahm.
»Du wirst mich doch auf dem Laufenden halten?«, fragte Luis und klopfte Sandro auf die Schulter.
»Natürlich, Luis. Ich wäre froh, wenn du mir als Ratgeber erhalten bleiben würdest.«
»Selbstverständlich.«
»Du bist nicht verärgert?«
»Nicht im Geringsten. Gut, dass du so offen zu mir warst. Wir müssen immer offen zueinander sein.«
Noch während Sandro nickte, deutete Luis auf ein Haus am Ende der Straße. »Wir sind fast da«, sagte er.
»Wir sind wo?« Sandro war entgangen, dass sie einen Umweg gemacht hatten. Statt direkt zum Gerichtsgebäude zu gehen, waren sie mehrere Straßen davon entfernt. Sie standen vor einem gelb gestrichenen Haus mit zwei Amphoren links und rechts der Eingangstür, in denen die Minze, mit dem Tode ringend, welk über den Rand hing.
»Vor dem Quartier von Matthias Hagen, dem württembergischen Gesandten. Ich dachte mir, dieser Abstecher wäre äußerst amüsant und aufschlussreich.«
Sandro erstarrte, während Luis den Klopfer benutzte. Er wollte Matthias nicht sehen, nicht jetzt, eigentlich überhaupt nicht. Trient war groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen.
»Ich muss ins Gerichtsgebäude«, sagte Sandro.
»Das hat Zeit bis nachher.«
»Man wartet auf mich.«
Luis schmunzelte. »Wer, Bertani? Er wird es dir nicht übel nehmen, wenn du ein wenig später kommst.«
Sandro überging die zynische Bemerkung. »Den Arzt meinte ich.«
Luis klopfte erneut, dreimal. »Du bist der päpstliche Visitator, Sandro. Der Arzt wird es nicht wagen zu gehen, bevor du mit ihm gesprochen hast.«
»Aber es ist unhöflich, ihn warten zu lassen.«
Luis klopfte fünfmal. »Unhöflichkeit ist keine Sünde. Andererseits wäre es eine Sünde, sich das Folgende entgehen zu lassen.«
»Du siehst doch, Luis, es ist niemand da. Ich gehe jetzt.«
In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und die schwarz gekleidete Gestalt von Matthias tauchte zum zweiten Mal an diesem Tag vor Sandro auf.
Matthias’ feindseliger Blick wanderte von Sandro zu Luis und wieder zurück. »Ja, bitte?«
»Ich bin Bruder Luis de Soto. Als Delegierter des Konzils wollte ich es mir nicht entgehen lassen, den protestantischen Wortführer kennenzulernen.«
»De Soto? Ja, ich habe von Euch gehört.«
Sandro bemerkte den Blick, den beide tauschten – sie waren sofort Gegner. Er hatte Luis vor Disputen schon oft so erlebt, mit verengten Pupillen, wie auf der Jagd, und einem schmallippigen Lächeln, das alles andere als Freundlichkeit ausdrückte. Und er kannte auch diesen harten, gnadenlosen Ausdruck an Matthias, von damals, als sie sich in Rom zum ersten Mal gesehen hatten.
»Und wen habt Ihr mitgebracht, de Soto?«
»Das ist Bruder Sandro Carissimi, mein
Weitere Kostenlose Bücher