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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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sie begründet?
    Dann arbeitete Antonia konzentriert weiter. Der Engel und das Mädchen: Sie wollte den Glaszuschnitt noch heute zu Ende bringen.
    Die Tür des Ateliers ging auf. Ein Lakai trat zur Seite und gab den Weg für einen Prälaten frei. Antonia erkannte ihn sofort, sie hatte sein Porträt gefertigt und würde nie diesen seltsam birnenförmigen Kopf vergessen: Jean-Jacques Villefranche, der Erzbischof von Toulouse, war ein großer, schwerer Mann mit ein paar letzten Flocken dünnen Haares auf der Stirn und über den Ohren. Seiner Leibesfülle wegen bewegte er sich mit durchgebogenem Rücken, wobei er ständig den Kopf nach links und rechts drehte und nur selten das Ziel fixierte, auf das er zusteuerte. Ein Schemel, der ihm im Weg stand, fiel ihm als Erstes zum Opfer. Das kleine Möbel polterte durch den Raum, doch er achtete nicht darauf.
    »Sie muss Antonia Brecher sein, nicht wahr, die Tochter von Hieronymus Brecher? Wie ich hörte, stammen einige der Glaskunstwerke von Ihr, nicht von Ihrem Vater, darum habe ich mich diese entsetzlichen Treppen heraufgequält. Wer hat Ihr dieses armselige Atelier zugewiesen? Madruzzo? Das sieht ihm ähnlich, diesem Geizkragen. Behandelt Künstler nicht besser als Wachsoldaten. Ich bin der Meinung, man muss die Menschen ernst nehmen, die etwas zu sagen haben.«
    »Bender«, sagte sie.
    »Wie meint Sie?«
    »Antonia Bender, Exzellenz.«
    Er streckte die Hand aus, oder besser gesagt, er hob den Arm ein Stück vom Körper weg, so dass sie sich tief vorbeugen musste, um ihm den Ring zu küssen. Noch während sie das tat, schweifte sein Blick über die fertigen und halbfertigen Fenster und Entwürfe. Er nahm ein Papier und begutachtete es.
    »Eure Zeichnung? Seltsames Motiv! Engel und Mädchen. Ich habe Ihre Apokalypse im Dom gesehen und bin entzückt. Was für ein Inferno! Für eine Frau ganz außerordentlich. Was ist das hier für eine Zeichnung?«
    »Die habe ich erst vor einer Stunde gemacht, gleich nach der des Engels mit dem Mädchen.«
    »Noch so ein seltsames Motiv! Ein Märtyrer, der tödlich verwundet zu Boden sinkt, durchbohrt von einem Dolch. Sie hat dem Gewand einen Schimmer Bischofsfarbe gegeben, und das Gesicht erinnert mich an jemanden, den ich kannte. Zu seinen Füßen liegt eine verwelkte Lilie, als Symbol dafür, dass seine Reinheit verwelkt war. Bertani, nicht wahr?«
    »Nur ein Versuch, ein junges Ereignis aufzugreifen, Exzellenz. Es ist keineswegs sicher, dass ich ein solches Fenster wirklich herstellen werde.«
    »Mutig und intelligent, das kann man nicht anders sagen. Sie stellt einen Bischof auf frivole Weise dar. Noch dazu ein ganz und gar unbiblisches Thema. Unerhört verwegen. So hat der Tod des armen Bertani doch noch etwas Gutes – nun, das würde er selbst sicher anders sehen.« Villefranche verbarg sein Kichern hinter einem Taschentuch. »Bertani wusste die Kunst nicht zu schätzen. Ein großer politischer Geist, ohne Zweifel, aber in künstlerischen Fragen ein bedauernswerter Ignorant – wie die meisten meiner Kollegen. Ich dagegen bin ein Mäzen, ein Kunstsammler und noch mehr als das. Ich zeichne selbst ein wenig.«
    Er schnippte mit dem Finger, woraufhin der Lakai ihr eine Zeichnung überreichte: Jesus erscheint Maria Magdalena nach seiner Auferstehung. Die Zeichnung war sauber gearbeitet, aber voller übertriebenem Pathos.
    »Diese Arbeit ist – ausgesprochen prunkvoll«, sagte Antonia.
    »Sie hat ein gutes Auge«, lobte er. »Vielleicht gestatte ich Ihr, einige meiner Entwürfe zu verwenden, wenn Sie die Fenster der Kathedrale von Toulouse neu gestaltet.«
    »Ich?«
    Er sah sie mit ein wenig müden Augen an. »Selbstverständlich! Oder nimmt Sie an, ich unterhalte mich die ganze Zeit mit einer Ihrer Glasfiguren? Sie wird, sobald Ihr Auftrag in Trient erledigt ist, nach Toulouse kommen. Sie erhält ein großzügiges Salär, eine angemessene Unterkunft und ein Atelier, das gut beheizt werden kann. Material nur vom Besten, versteht sich. Ich hasse Sparsamkeit. Sparen ist etwas für Eichhörnchen.«
    Villefranche hatte einen enormen Rede- und Speichelfluss, weshalb er sich unentwegt die Mundwinkel mit dem Taschentuch abtupfte.
    »Gewiss, Ihre Kunst steht bisweilen im Widerspruch zur herkömmlichen Auslegung der Bibel. Doch man muss praktisch denken, nicht wahr? Wenn der Preis für künstlerisch hochwertige Fenster ein paar nette Frechheiten in Glas sind, nehme ich dies gerne in Kauf. Ars triumphans , die Kunst siegt. Aber Sie wird mir Ihre

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