Die Glücksparade
sah ich noch weiße Farbe, während ich neben ihm stand und die Schilder festhielt. Als das letzte an seinem Platz hing, trat er ein paar Schritte zurück, rieb sich das Kinn und betrachtete das gelbe Stück Plastik.
«Hängt etwas schief, oder nicht?», sagte er.
«Kann schon sein», antwortete ich.
«Kommt nicht drauf an, oder?»
«Nein», sagte ich. «Wahrscheinlich nicht.»
Er nickte. Ohne etwas zu sagen, blieb er eine ganze Weile so stehen, eine Hand über den Mund gelegt und die Augen auf das Schild gerichtet. Zuletzt zuckte er die Schultern, drehte sich um, und wir gingen zurück auf den Platz.
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[8]
Carlo kam über den Einbruch nicht hinweg. Erst ließ er sich nicht sehen, und eines Tages rief er meinen Vater an und sagte, er wolle seinen Wagen verkaufen. Mein Vater versuchte alles, um ihn davon abzubringen. Er sagte, der Blitz schlüge nie zweimal im gleichen Haus ein und mit dem Hund könnten wir den Platz besser schützen, doch Carlo änderte seine Meinung nicht mehr.
«Hellers haben uns zum Abendessen eingeladen», sagte meine Mutter, nicht lange nachdem Carlo seinen Hänger leergeräumt hatte. «Am Wochenende, Freitag oder Samstag. Wir können es uns aussuchen.»
In der Zwischenzeit hatten sie einen Korb als Willkommensgeschenk hergebracht und sich vorgestellt. Horst war groß und blond. Als er vor unserer Tür stand, trug er bunt gemusterte Bermudashorts und ein hellblaues Hemd. Er hatte ein Gesicht wie die Männer in Werbeprospekten für Polohemden. Aleki war einen Kopf kleiner als er, sie hatte dunkles lockiges Haar und sagte, sie freue sich auf gute Nachbarschaft.
Meine Eltern beschlossen, die Einladung am Samstagabend anzunehmen. Bevor wir uns auf den Weg machten, duschte ich. Während ich, ein Handtuch um die Hüften gewickelt, mein Gesicht im Spiegel betrachtete, wollte meine Mutter das Bad benutzen, um sich zu schminken. Sie hatte eine enge Bluse angezogen und einen Rock, dazu Schuhe mit Absätzen, und obwohl ich in diesem Moment nicht hätte sagen können, woran es lag, machte es mich traurig, sie so zu sehen. Ich dachte, dass Hellers ihr sehr gefallen haben mussten und dass es ihr wahrscheinlich wichtig war, von ihnen gemocht zu werden.
Mehrmals knickte sie mit ihren hohen Schuhen im Gras um, bis wir zu dem offenen Vorbau kamen, auf dem ein Tisch gedeckt war. Mein Vater setzte einen Fuß auf die erste Stufe dieser Veranda. Das Holz knarrte unter seinem Gewicht, worauf Aleki einen Vorhang, der in der Tür zum eigentlichen Wagen hing, zur Seite schob und nach draußen kam, als hätte sie nur auf ein Kommando gewartet.
«Schön, dass es geklappt hat», sagte sie. Vor jedem Stuhl lagen rote Platzdeckchen, Besteck und Servietten, und ein Strauß aus weißen Rosen stand auf dem Tisch. Wir setzten uns nebeneinander in eine Reihe, und als wir die Stühle zurechtgerückt hatten, kam auch Horst aus dem Hänger.
«Wir haben was zu trinken mitgebracht», sagte mein Vater. Er hob die Weinflasche aus der Korbtasche meiner Mutter, die zwischen ihrem und seinem Stuhl auf dem Boden stand. «Mögt ihr Wein?»
«Was für eine Frage!», rief Horst.
«Dann ist ja gut», sagte mein Vater. «Ich hatte schon überlegt, euch stattdessen eine Gasflasche mitzubringen.»
Er bekam als Antwort das Lachen, mit dem er gerechnet hatte, und ich merkte wieder, wie leicht es ihm gelang, das Eis zu brechen bei Menschen, die er nicht kannte. Horst schenkte Rotwein in die Gläser, dann stießen wir an.
«Es ist so schön, endlich was Eigenes zu haben», sagte Aleki.
«Freut mich, dass es euch gefällt», sagte mein Vater. «Ganz ehrlich.»
«Wir sind sonst immer weiter weggefahren», sagte Horst. «In die Sonne. Gran Canaria, Fuerteventura. Letzten Sommer waren wir auf Kreta.»
«Soll schön sein», sagte mein Vater.
«Wunderschön. Wir waren zwei Wochen in einem Clubhotel. Da haben wir Gerd Müller getroffen», sagte Horst.
«Ich hab früher auch mal Fußball gespielt», sagte mein Vater.
Horst machte ein Gesicht, das alles Mögliche bedeuten konnte, auch Anerkennung.
«Müller war eine richtige Kanone», sagte er.
«Ist lange her», sagte mein Vater.
Horst nickte. Er ließ den Wein langsam im Glas kreisen, die Hand um den Kelch geschlossen.
«Gerd Müller», sagte er. «Ich hab mit ihm Tennis gespielt. Ehrlich gesagt, er sieht nicht sehr gut aus.»
«Was macht er jetzt?», fragte mein Vater.
«Weiß ich nicht. Hat er nicht gesagt. Ich glaube, er hatte mal ein
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