Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
Moment auf seine Kollegin einen merkwürdigen Eindruck machte. »Bitte sagen Sie mir doch, was passiert ist.« Sie sah die Kommissarin bittend an.
Sabine Baum trat zu Emma, während Grieser sich Richtung Klostereingang entfernte, und sagte leise: »Wir haben eine männliche Leiche gefunden. Einer der Gäste des Klosters wurde heute Nacht ermordet.«
Gequält schloss Emma die Augen. »Wer ist es?«, fragte sie.
»Markus Hertl«, antwortete Baum bedächtig.
Emma fühlte sich, als hätte ihr jemand die Luft aus den Lungen gedrückt. Sie spürte die Hand der Polizistin auf ihrer Schulter. Ihr Herz klopfte schnell, und verspätet füllten sich ihre Lungenflügel wieder mit Luft. Sie begegnete dem offenen Blick der Beamtin, die sie besorgt musterte.
»Kannten Sie ihn?«, fragte die Oberkommissarin mit warmer Stimme.
»Ich habe ihn erst vor ein paar Tagen kennengelernt.« Emma kämpfte gegen die Tränen. »Wir waren gestern Abend zusammen und haben uns erst gegen Mitternacht vor demGästehaus verabschiedet. Er muss seinem Mörder praktisch in die Arme gelaufen sein.«
Baum horchte auf. »Wir werden Sie später noch mal genauer dazu befragen müssen.«
Emma rannen Tränen über die Wangen. »Sie erreichen mich am besten mobil.« Sie wischte sich die Augen, kramte in ihrer Handtasche und reichte der Kommissarin eine Visitenkarte.
»Das ist nicht dein Ernst?«, fragte Sabine Baum.
»Warum nicht?« Grieser blickte Emma nach, die mit schleppenden Schritten den Klosterhof verließ. Er stopfte beide Hände in die Taschen seiner Lederjacke und wandte sich ab. Ohne sich umzusehen, ging er zum Rhein hinunter. Erst als die Oberkommissarin an seiner Seite auftauchte, sprach er weiter.
»Emma Prinz ist die Tochter vom Schulleiter des Hildegard-von-Bingen-Internats. Er geriet wegen des Selbstmords des Priesters unter Druck. Zwanzig Jahre später wird eine der Schülerinnen des Priesters ermordet. Lehmann sprach als einer der Letzten mit dem Opfer. Kurze Zeit später taucht seine Tochter auf, angeblich um als Journalistin über den Fall zu schreiben. Dann wird ein weiterer Schüler des Priesters ermordet. Ausgerechnet kurz nachdem er sich mit Emma Prinz getroffen hatte.«
Grieser blieb stehen. Er stemmte sich gegen den Wind, der vom Fluss heraufzog.
»Hat denn inzwischen jemand sein Alibi überprüft?«, fragte Baum und blieb ebenfalls stehen. Sie blickte hinunter auf den Rhein, wo mehrere Lastkähne, mit schwerer Fracht beladen, tief im Wasser hingen.
»Möller hat ausgesagt, dass Lehmann ziemlich spät auf der Geburtstagsfeier ankam. Angeblich Stau auf der Autobahn.Dafür ist er von dort früh aufgebrochen, um nach Hause zu fahren, wo er die Nacht allein verbracht hat. Er hätte also die Gelegenheit gehabt.«
Als Baum nicht antwortete, wandte Grieser den Kopf und sah sie herausfordernd an.
Baum zuckte mit den Achseln. »Warum sollte er seine ehemaligen Schüler ermorden? Oder hängt sie da womöglich mit drin?«
Grieser schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, sie war damals noch ein Kind.«
»Also er? Aber warum? Wo ist das Motiv?«
»Vielleicht ist der Priester damals seiner Tochter zu nahe gekommen. Und weil er sich als stellvertretender Schulleiter das Problem eines pädophilen Priesters und Lehrers vom Hals schaffen wollte, hat er ihn zum Selbstmord genötigt.«
»Der Priester ein Pädophiler? Dafür gab es bislang keinerlei Hinweise.«
»Er war kastriert«, erwiderte Grieser.
»Und?«, fragte Baum.
»Selbstbestrafung und Selbstschutz. Sexualstraftäter, die nicht therapierbar sind, erhalten doch Medikamente zur chemischen Kastration. Das erhöht die Chance, dass sie nicht rückfällig werden. Die Männer müssen der Behandlung zustimmen, das heißt, sie nehmen die Medikamente freiwillig. Vielleicht wusste der Priester, dass er gefährdet ist, und hat zu einer Art Selbstmedikation gegriffen.«
»Und sich kastrieren lassen?«
»Warum nicht?«, entgegnete Greiser. »So musste er sich nicht stellen, konnte in seinem Job bleiben und hat vielleicht gehofft, nie mehr rückfällig zu werden.«
»Und warum sollte Lehmann ihn dann in den Selbstmord treiben?«
»Vielleicht ist er ja doch rückfällig geworden, und Lehmannwusste davon. Er könnte dem Pater gedroht haben, entweder er bringt sich selber um, oder er zeigt ihn an.«
»Glaubst du wirklich, man kann einen Menschen in den Selbstmord treiben?«, fragte Sabine Baum.
»Ja«, erwiderte Grieser, »das glaube ich.«
Ȇbrigens hat Kramer rausgefunden,
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