Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
mitteilen? Ich liebe dich? Wohl kaum. Ihm fiel ein, wie er gestern Nacht auf Pauls ruhige Atemzüge neben sich gehorcht hatte. Es war schön gewesen und traurig zugleich.
Unruhig machte Grieser einige Schritte auf die Kirche zu. Sein Blick glitt über das Eingangsportal und die zwei ungleichen Türme. Ein majestätisches Bauwerk. Für einen Moment war er versucht, hineinzugehen und Ruhe zu tanken,die dort eingekehrt sein mochte, nachdem die Spurensicherung ihre Sachen gepackt hatte.
Mit schlechtem Gewissen warf er einen Blick hinüber zum Gästehaus, wo Baum die Befragung führte. Er griff nach seinem Handy und wählte die Nummer von Kramer. Die Kollegen der Spurensicherung nahmen seit gestern die Wohnung von Miriam Schürmann unter die Lupe.
Fünf Minuten später kehrte er zu Baum zurück. Sie verabschiedete soeben eine Schwester, die schnell das Refektorium hinter sich ließ. Aufatmend stoppte Baum das Aufnahmegerät, als sich hinter ihr die Tür schloss.
»Was Neues?«, brummte Grieser und setzte sich. Prüfend blickte Baum ihn an. Für einen Moment fühlte er sich durchschaut.
»Die Kollegen von der Spurensicherung haben den Computer der Schürmann untersucht und Mails gefunden«, sagte er rasch. »Markus Hertl hat seit einigen Wochen mit ihr gemailt und versucht, etwas von ihr zu bekommen, das sie ihm aber nicht geben wollte.«
»Genauer geht’s nicht?«, fragte Baum zweifelnd.
»Die Kollegen müssen die Mails noch im Einzelnen auswerten, aber bisher haben sie noch keinen Hinweis gefunden, worum es genau ging. Nur, dass er sie allmählich unter Druck gesetzt hat. Sie hat sich gewehrt und in ihrer letzten Mail geschrieben, dass sich für sie das Thema nach der Weihe von Schwester Lioba erledigt hätte.«
»Was meinte sie damit?«, fragte Baum.
»Keine Ahnung«, sagte Grieser und nahm einen Schluck Kaffee. Der kalte Rest schmeckte bitter. Grieser stellte die Tasse zurück. Sie kippte, und der Bodensatz ergoss sich über den Tisch.
Grieser runzelte die Stirn und kramte in seiner Jackentasche nach Papiertaschentüchern.
»Alles in Ordnung Chef?«, fragte Baum. Ihr Blick schien ihn zu durchdringen.
»Schon gut«, erwiderte er abwehrend.
Baum beobachtete stumm, wie er die Kaffeereste vom Tisch wischte.
»Ich hatte eine unruhige Nacht«, erwiderte Grieser. Ihr Blick kreuzte seinen, dann betrachtete sie die Papiere vor ihr auf dem Tisch.
»Jeder hat mal einen schlechten Tag«, erwiderte sie leichthin.
»Genaueres können die Kollegen aus den Mails bisher nicht herauslesen«, nahm er das Gespräch wieder auf. »Wenn sie neue Hinweise finden, geben sie Bescheid.«
»Wir sollten uns Hertl noch mal vornehmen«, sagte Baum.
»Ja«, erwiderte Grieser und setzte sich, »aber erst die Schwestern. Wie viele müssen wir noch?«
»Fünfzehn haben wir, es fehlen noch zweiundzwanzig. Die Schwestern haben allerdings nicht viel zu sagen.«
»Bisher was Neues?«, fragte er.
»Sie haben die Schwester gesehen, die Ihnen entgegenkam?«
Grieser erinnerte sich an eine Frau mittleren Alters mit einer markanten Nase und dunklen Ringen unter den Augen.
»Wirkte ein wenig müde«, sagte er, »hatte wohl auch eine schlechte Nacht. Hat sie was erzählt?«
»Schwester Adelgund ist für das Gästehaus verantwortlich«, erklärte Baum. »Hat angeblich in der Nacht auch nichts gesehen und gehört. Auch von dem Streit zwischen der Äbtissin und dem Mordopfer hat sie angeblich nichts mitbekommen. Aber sie lügt, da bin ich sicher.«
»Eine Idee, was sie verschweigt?«, fragte er.
Baum schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, aber ich werde sie im Auge behalten.«
14. Kapitel
So auch erhebt sich beim Manne zuweilen das Lustgefühl und sinkt dann wieder herab, weil, wenn es ohne Aufhören in ihm brennen würde, der Mann es nicht aushalten könnte.
Emma war lange nicht mehr im Kloster Altdorf gewesen. Sie schlenderte über den Schulhof und betrat das Gebäude, das sie immer an ein altes Gericht erinnerte. Der Sekretär ihres Vaters, der am liebsten als Elvis Presley auf die Welt gekommen wäre und wie immer einen Anzug im Retro-Look trug, teilte ihr mit betrübter Miene mit, dass die Besprechung ihres Vaters noch eine halbe Stunde dauern könnte. Ihr Vater ließe ihr ausrichten, er würde sich freuen, wenn sie warten könnte.
Emma kehrte zurück auf den Schulhof, der verlassen in der Frühlingssonne lag. Sie beschloss, der Abteikirche einen Besuch abzustatten, und erreichte über die an der Rückseite der Schule
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