Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
weiterbringt.«
Grieser zog die Augenbrauen zusammen. »Wir wissen einfach zu wenig über die Zusammenhänge. Irgendjemand müsste uns doch sagen können, warum sich ein katholischer Mönch freiwillig kastrieren lässt.«
»Wer sagt denn, dass die Kastration freiwillig war?«
Grieser blickte sie entsetzt an.
»Muss man doch mal fragen dürfen«, murmelte Baum, und Grieser hätte schwören können, dass sie sich ein Lachen verkniff.
Als Emma wieder im Büro ankam, fragte sie sich, wie es nun weitergehen sollte. Sie hatte zwar einiges recherchiert, aber das passte alles irgendwie nicht recht zusammen. Sie fuhr ihren Computer hoch und setzte sich mit einer Tasse Milchkaffee an den Rechner.
Wie gewohnt, rief sie zunächst ihre Mails ab. Kohler erinnerte sie in seiner gewohnt knappen Art daran, dass er einen Artikel von ihr erwartete. Außerdem hatte sie eine Anfrage einer überregionalen Zeitschrift, für die sie ab und zu schrieb. Sie sollte im Mai einen Artikel über den in Mannheim anstehenden Prozess eines Elternmörders übernehmen. Emma schickte eine kurze Mail zurück mit einer Zusage.
Unzufrieden musterte sie ihren Posteingang, in dem ansonsten seit Montag nur etliche Pressemeldungen eingegangen waren. Die Akquise neuer Aufträge war in denvergangenen Monaten nahezu unmöglich geworden. Die Wirtschaftskrise hatte zu weiteren Entlassungen in den Redaktionen geführt. Viele Zeitungen und Zeitschriften beschäftigten inzwischen vorzugsweise freigestellte Journalisten, die zuvor in der eigenen Redaktion gearbeitet hatten und nun auf dem freien Markt zu überleben versuchten. Die Auftragslage war mies. Wenn sich ihre Situation in den nächsten Wochen nicht dramatisch veränderte, musste sie sich einen anderen Job suchen. Es sei denn, sie konnte Kohler doch noch eine gute Geschichte liefern.
Emma zog ein Blatt Papier zu sich her und notierte darauf die Stichworte der wenigen Fakten, die sie bisher hatte: eine tote Frau im Kloster Rupertsberg und ein toter Mönch im Heidelberger Internat. Eine verschollene Handschrift, die beide Todesfälle miteinander verband. Emma fragte sich, was es mit dieser Handschrift eigentlich auf sich hatte.
Wenn es darum ging, musste eigentlich der Mörder die Handschrift haben. Warum sonst hätte er gemordet? Nachdenklich sah Emma auf ihre Notizen. Wenn Miriam Schürmann tatsächlich die Handschrift in ihrem Besitz gehabt hatte, so gab es verschiedene Möglichkeiten. Der Mord hatte nichts mit dem Buch zu tun, dann war sie mit ihrer Recherche auf dem Holzweg. Oder die Tote war tatsächlich deshalb ermordet worden, und auch der Selbstmord hatte damit zu tun. Doch dann war nicht sicher, ob der Mörder das Buch aus seinem Versteck geholt hatte. Schließlich handelte es sich um eine 800 Jahre alte Schrift. Die packte man nicht eben mal in eine Plastiktüte und schleppte sie von einem Versteck zum anderen. Soweit sie wusste, musste man alte Pergamentschriften vor Feuchtigkeit und Tageslicht schützen, damit sie nicht zerfielen. Und auch jeder Transport konnte der Handschrift schaden. Wenn Miriam Schürmann einen Platz gefunden hatte, um nahezu zwanzig Jahre die Handschriftzu verstecken, könnte sie noch immer dort sein. Vielleicht hatte der Mörder nur das Versteck ausfindig gemacht. Aber könnte er jemals dieses Buch an die Öffentlichkeit bringen, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, ein Mörder zu sein?
Emma richtete sich wie elektrisiert auf. Vielleicht war es genau andersherum. Vielleicht stimmte ja doch ihre erste Vermutung. Jemand hatte großes Interesse daran, dass die Handschrift nie auftauchte. Wenn Miriam Schürmann das Buch gut versteckt hatte, würde es reichen, sie umzubringen. Damit wäre sichergestellt, dass die Schrift für immer verschollen blieb.
Möglicherweise fanden sich im Umfeld der Toten Hinweise auf das Mordmotiv. Emma beschloss, mit ihrer Recherche bei der Toten und ihren Gewohnheiten anzufangen. Sie zog die Tastatur ihres Computers zu sich her und gab bei Google den Namen Miriam Schürmann ein. Am Sonntag hatte sie bereits herausgefunden, dass Schürmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Physik der Atmosphäre der Mainzer Universität gearbeitet hatte. Emma ging auf die Internetseiten des Instituts. Sie erinnerte sich, dort ein Verzeichnis der Dozenten mit Lebenslauf und Fotos gesehen zu haben.
In der nächsten halben Stunde sammelte Emma alle Fakten, die sie im Internet über die Ermordete finden konnte in einem Datenblatt. Am Ende
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