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Die Glut

Die Glut

Titel: Die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Handschuhe entgegen, während er mit der anderen Hand schon nach dem französischen Rotwein griff, der in der Wärmenische des weißen Kachelofens stand und von dem der Sohn des Gardeoffiziers jeden Abend vor dem Zubettgehen ein Glas mit bedächtigen Schlucken trank, als wollte er sich mit den gewichtigen Worten des schweren Burgunders von den leichten Erinnerungen des Tages und des Abends verabschieden. Auch jetzt trug der Bursche die Flasche auf einem Silbertablett hinter ihm her, in Konráds dämmriges Zimmer.
    Manchmal saßen sie bis zum Morgen dort und plauderten, während der Ofen kalt wurde und der Sohn des Gardeoffiziers die Burgunderflasche bis zum letzten Tropfen leerte. Konrád sprach von seinen Lektüren, Henrik vom Leben. Konrád hatte kein Geld für das Leben, für ihn war das Militär ein Beruf, der mit einem Rang, einer Uniform und den verschiedensten komplizierten und raffinierten Konsequenzen einherging. Der Sohn des Gardeoffiziers spürte, dass sie ihren Freundschaftsbund, zerbrechlich und vielfältig wie jede schicksalhafte zwischenmenschliche Beziehung, vor dem Einfluß des Geldes retten, vor jedem Anflug von Neid oder Taktlosigkeit bewahren mussten. Das war nicht leicht. Der Sohn des Gardeoffiziers flehte Konrád an, etwas von seinem Vermögen anzunehmen, da er wirklich nicht wisse, was er damit anfangen solle. Konrád erklärte ihm, er könne keinen einzigen Fillér annehmen. Und beide wussten, dass es stimmte: Der Sohn des Gardeoffiziers durfte Konrád kein Geld geben, und man musste es akzeptieren, dass jener in die Gesellschaft ging und seinem Rang und Namen gemäß lebte, während Konrád zu Hause in Hietzing an fünf Abenden in der Woche ein Rührei aß und die aus der Wäscherei zurückkommende Unterwäsche eigenhändig abzählte. Aber nicht das war wichtig. Beängstigender war, dass diese Freundschaft trotz der Geldfrage für ein Leben bewahrt werden musste.
    Konrád alterte rasch. Mit fünfundzwanzig brauchte er zum Lesen schon eine Brille. Wenn sein Freund nachts aus Wien und aus der Welt nach Hause kam, nach Rauch und Parfüm riechend, ein bisschen zerzaust und jünglingshaft mondän, redeten sie lange und leise wie Verschwörer, als wäre Konrád ein Zauberer, der zu Hause sitzt und über den Sinn der Dinge nachdenkt, während sich sein Famulus in der Welt umtut und dem Leben seine Geheimnisse ablauscht. Konrád las am liebsten englische Bücher, über die Geschichte des menschlichen Zusammenlebens, die gesellschaftlichen Fortschritte. Der Sohn des Gardeoffiziers mochte nur Bücher über Pferde und Reisen. Und da sie einander gern hatten, verziehen sie einander ihre Erbsünden: den Reichtum, beziehungsweise die Armut.
    Das »Anderssein«, von dem der Vater gesprochen hatte, als die Gräfin und Konrád die Polonaise-Fantaisie gespielt hatten, verlieh diesem eine Macht über die Seele seines Freundes.
    Wie war diese Macht zu verstehen? In jeder Machtausübung gibt es einen feinen, kaum spürbaren Anteil an Verachtung: für die, über die man herrscht. Über eine menschliche Seele kann man nur herrschen, wenn man den Unterworfenen erkennt, versteht und sehr taktvoll verachtet. Mit der Zeit nahmen die nächtlichen Gespräche in Hietzing den Klang von Gesprächen zwischen Meister und Schüler an. Wie alle, die durch Neigung und äußere Umstände vor der Zeit zu Einsamkeit gezwungen sind, sprach Konrád in einem leicht spöttischen, leicht verächtlichen und doch auch auf hilflose Art wissbegierigen Ton von der Welt, als könnten die Geschehnisse, die man drüben, am anderen Ufer, vermutet, nur für Kinder und noch ahnungslosere Wesen von Interesse sein. Seine Stimme aber ließ dennoch ein Heimweh spüren: Die Jugend sehnt sich immer und fortwährend nach einer verdächtigen, gleichgültigen und beängstigenden Heimat, deren Name Welt ist. Und wenn Konrád überaus freundschaftlich und scherzhaft, aber auch überheblich und beiläufig den Sohn des Gardeoffiziers wegen seiner Erlebnisse in der Welt hänselte, klang in seiner Stimme das durstigleere Schlucken des Sehnsüchtigen mit.
    So lebten sie im blendenden Lichtflimmern der Jugend, in einer Rolle, die auch ein Beruf war, doch dem Leben gleichzeitig echte Spannung und inneren Halt verlieh. Und es gab auch Frauenhände, die zart, gerührt und gutgelaunt an die Tür der Hietzinger Wohnung klopften. So klopfte eines Tages Veronika an, die Tänzerin - in Erinnerung an diesen Namen reibt sich jetzt der General die Augen, als wäre er aus

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