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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Erst jetzt sah er eine winzige Narbe an ihrer Wange, die mit ihrem Lächeln tanzte.
    »Ich möchte heim. Kommst mit?« fragte sie einfach.
    Finger weg! sagte er sich. Vielleicht sollte er einfach lügen. Ihr was vormachen. Daß er zu müde sei. Daß sein Mädchen auf ihn warte. Irgendwas.
    »Ja«, antwortete er. »Wohnst du weit weg?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Am Glockenbach hinten.«
    Er verstand. »Da treibt sich in der Nacht ein Haufen Gesindel herum, hm?«
    »Nicht deswegen«, sagte sie ehrlich.
    Er schwieg. Er fühlte keine Aufgeregtheit, nur eine schöne, gelassene Ruhe. Sie stellte den Kopf schräg und beobachtete ihn. Er wies mit dem Kopf nach hinten.
    »Was… was sagt denn der Urban dazu?«
    Sie schien an etwas anderes zu denken.
    »Weiß nicht«, sagte sie heiser.
     
     
    Sie war auf den Karlsplatz vorausgegangen und hatte unter dem Vordach des Kiosks auf ihn gewartet. Nach wenigen Minuten sah sie seine Gestalt, die, in regelmäßigen Abständen die Kreise der milchig glimmenden Gaslaternen passierend, näher kam. Sie hakte sich geschwisterlich bei ihm ein. Sie gingen den breiten Boulevard der Sonnenstraße hinunter.
    Noch immer stand fast undurchdringlicher Nebel auf der Straße, doch es war wärmer geworden. Sie gingen langsam und ohne Hast. Ihre Schritte - die seinen unmerklich schwerer tönend als das helle Klicken ihrer hohen Schuhe - klangen gleichmäßig auf dem Pflaster. Kein Ziehen und Drängen, kein eiliges Nachtrippeln, kein Zur-Seite-Stolpern störte den Einklang ihrer Bewegungen.
    Die Straße war frei, die Stadt schlief längst. Die Lichter eines Wagens bestrichen die Gegenseite der Sonnenstraße, das gedämpfte Tuckern des Motors verlor sich im Norden.
    Im Dunkel zwischen zwei Laternen blieben sie stehen und küßten sich. Sie schien zu frieren. Er knöpfte seinen Mantel auf und hüllte sie damit ein. Sie ließ es schweigend geschehen und schmiegte sich an ihn. Dann gingen sie weiter, und sie erzählte mit wenigen Sätzen, daß sie gelegentlich im Lokal als Sängerin auftreten würde und Fritz Urban, - der in dieser Beziehung viel von ihr hielte, sich für sie eingesetzt hätte. Sie verdiene dabei nicht viel, aber es würde ausreichen. Nein, geliebt hätte sie ihn einmal, aber das sei schon lange her.
    Sie sprachen wenig, schließlich schwiegen sie ganz. Anderes war unnötig; beide hatten das Gefühl, sich seit langem zu kennen. Bald hatten sie den Sendlinger-Tor-Platz erreicht und tauchten in die dunkle Schlucht der Vorstadtstraße.
    In Mias Wohnung, die aus einem winzigen Vorraum und einer Schlafkammer bestand - was Kajetan mit einem bewundernden »nobel, nobel« kommentierte - hatte noch immer nichts ihre traumwandlerische Vertrautheit erschüttert. Mit ruhigen Bewegungen begannen sie sich zu entkleiden.
    »Mach das Licht aus«, bat sie nach einer Weile freundlich, »du stehst grad dort.« Sie lächelte. »Da wird nicht gelurt. Wirst schon nichts verpassen.«
    Sie zog ihr Unterhemd aus. Seine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, als er hörte, wie sie die Decke zurückschlug und sich mit dem leichten Rascheln, das die Berührung nackter Haut auf kühler, gestärkter Wäsche hervorruft, ins Bett legte. Sie richtete ihr Kissen und schlug leicht auf das Plumeau. Als wäre er in diesem Bett geboren, glitt Kajetan an ihre Seite. Sie hatte sich nur bis zu den Hüften zugedeckt. Ihre Haut strahlte kühl. Fröstelnd erwiderte sie seine Umarmung. Er fühlte die Spitzen ihrer Brust, die sich mit süßer Schwere an ihn drängte. Sie stöhnte wohlig. »Du stinkst ja«, flüsterte sie. »Du nicht«, gab er zurück. Sie lachten leise.
    Das Fenster war einen Spalt geöffnet. Durch den Vorhang drang graues Mondlicht. Mit nachtschwarzen Augen begannen sie sich zu erkennen und sahen nichts als Frieden und Glück und, einen Hauch lang, das Aufflammen einer Überraschung im Blick des anderen.
    Fern schlug eine Turmuhr. Es war lange nach Mitternacht. Sie streichelten sich - die Zeit bewegte sich nicht mehr, seit sie im Flur des »Steyrer« gegenübergestanden waren - mit unendlich langsamen Bewegungen und wurden nicht satt zu spüren, wie sich unter ihrer Haut mehr und mehr eine pochende, wohlige Hitze staute.
    »Jetzt… ist alles gut«, flüsterte sie ergeben. Ihre Stimme klang brüchig. Er küßte die pulsende Haut ihres Halses. Von der Schulter strich seine Hand über ihren Rücken, ertastete ihre Hinterbacken und zog ihren Unterleib zu sich. Sie berührte seine Finger.
    »Ich bin

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