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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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prüfenden Blick des Wirts.
    »Ich bin nämlich mit einem Urban beim Militär gewesen«, beeilte Kajetan sich zu erklären, »ein famoser Kamerad war das.«
    Der Wirt musterte ihn argwöhnisch.
    »Der junge Urban? Der und famos? Das muß ein anderer gewesen sein. Wie hat er denn geheißen, ich mein, mit Vornamen?«
    Kajetan dachte kurz nach und nannte einen anderen Namen.
    »Nein«, wiederholte der Wirt wie erleichtert, »das war dann nicht der, den ich mein. Der selige Doktor hat schon einen Sohn gehabt, Fritz hat der geheißen. Allerdings war das ein windigs Bürscherl. Hochfahrend ist er gewesen, eingebildet, jähzornig. Und ziemlich verschlagen. Ich möchte ja nichts sagen. Heut soll er in München sein und es zu etwas gebracht haben. Trotzdem.«
    »Wieso windig?«
    »Sie, da könnt ich Ihnen was erzählen. Der hat kein gut getan, hat gerauft, ist schon als Bub beim Stehlen erwischt worden, und ein arger Weiberer ist er auch gewesen. Die Burschen haben sich das natürlich nicht gefallen lassen, und wenn er nicht dem Doktor sein Bub gewesen war, dann hätten sie ihn bestimmt noch öfters verdroschen. Und dann, im Neunzehner Jahr…«, er schüttelte den Kopf, als könnte er die Sache selbst nicht glauben, »… da ist er doch auf einmal frech bei uns in der Stube gestanden mit ein paar Bürscherl, die er von irgendwo hergezogen hat, und hat geschrien, daß er den >Nauferger< jetzt expropriieren tat. Ich hab das Wort nicht einmal gekannt! Bis er es mir übersetzt: Er war jetzt der Wirt, er tat die Wirtschaft beschlagnahmen als Volkseigentum, weil ich die Leut allerweil ausschmieren tat und meine Wurscht - die schmecken Ihnen doch, oder?«
    Kajetan nickte mit ehrlicher Begeisterung.
    »… Meine Wurscht mit Sägscheiten gestopft werden! Meine Wurscht, hab ich ihm ins Gesicht gesagt, sind die besten im Gäu. Drum ist meine Wirtschaft auch allerweil voll! Und deswegen willst mich rausjagen! Hab ich gesagt! Dann hat der doch glatt eine Pistole gezogen! Könnens Ihnen das vorstellen?«
    »Und - wie ist die Geschichte ausgegangen?«
    »Wie wohl? Es hat nicht lang gedauert, dann sinds besoffen unter dem Tisch gelegen. Wir haben ihnen die Waffen abgenommen, ihnen die Hosen ausgezogen und sie fortgejagt. Und dafür hätten sie uns sogar noch dankbar sein müssen! Zwei Tag drauf sind nämlich eh schon die anderen eingerückt. Die hätten einen kurzen Prozeß mit ihnen gemacht, das dürfens mir glauben! Danach hat man nie mehr was von ihm gehört. Er soll alles, was er von seinem Vater geerbt hat - und da war einiges da! - verspielt haben, heißt es, weil er nämlich nach und nach alles verkauft hat.«
    Es fiel Kajetan schwer, den Unbeteiligten zu spielen.
    »Dabei war er kein Dummer!« erzählte der Nauferger. »Der hat dich einwickeln können mit seinem Geschwätz, daß du am End gar nicht mehr gewußt hast, ob du ein Mannderl oder Weiberl bist.«
    »Er hätt in die Politik gehen sollen«, meinte Kajetan.
    Der Wirt lachte. »Wie sein Vater, ja. Der war ein hohes Vieh bei der Bayerischen Volkspartei. Aber der alte Doktor, das war ein Ehrenmann! Von oben bis unten! Was der für ein Kreuz gehabt hat mit seinem Buben.« Er seufzte mitfühlend. »Ich sags Ihnen: Geschichten gibts, die, wennst dirs ausdenken hättst müssen, die täten dir gar nicht einfallen.«
    »Nauferger, bloß eine Frag.« Eine vierschrötige Gestalt stand im Rahmen der Türe, die zum Nebenraum führte.
    »Was möchstn, Landthaler?«
    »Bloß eine Frag, Nauferger: Obs dir gar nichts ausmacht, daß die Leut bei dir herinnen verdursten?«
    »Bei dir furcht ich eher das Gegenteil«, erwiderte der Wirt, »komm gleich!«
    Der Wirt stand auf und wies mit dem Daumen über seine Schulter. »Schon am Vormittag fangt der mit dem Saufen an! Was sagens zu so was?« Er stützte seine Hand auf die Tischplatte und beugte sich wieder zu Kajetan.
    »… Und jetzt ist auch das Madl vom Marti gestorben? Ist sie denn so krank gewesen? Das muß ja schnell gegangen sein.«
    Kajetan nickte und häufte Kartoffel und ein Stück Wurst auf seine Gabel.
    »Und Sie sagen, daß da was mitm Nachlaß war. Ist da wirklich kein Geld da? Ich mein, wenn der Notari schon einen herschickt?«
    »Wenn Sie es keinem verraten?«
    »Ehrenwort! Ist es - arg viel?«
    Kajetan schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Es geht eher darum, wer für ihre Beerdigung aufkommen muß.«
    »Wenns so ist, werdens erst recht keine mehr finden.« Der Wirt richtete sich ernüchtert auf und ging zur Schänke. Während er

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