Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
ein. Josions Gefährten versuchten, sich die merkwürdige Zeremonie vorzustellen, die sich vor zwanzig Jahren auf der Insel abgespielt hatte. Ihre Eltern und Großeltern hatten sich am Grab ihres schlimmsten Feindes versammelt. Warum? Wollten sie Sombre das letzte Geleit geben? Wollten sie einem Kind des Jal, das auch nur Opfer seines eigenen Schicksals gewesen war, die letzte Ehre erweisen? Oder wollten sie sich ganz einfach vergewissern, dass der Dämon tot war? Vermutlich von allem etwas …
»Und was willst du auf der Insel?«, fragte Guederic schließlich. »Sombres Grab öffnen? Nachsehen, ob die Leiche noch da ist?«
Josion zögerte etwas zu lang.
»So weit will ich nicht gehen. Aber vielleicht finden wir dort einen Hinweis, der uns zu unseren Feinden führt. Wenn sie tatsächlich in Sombres Nachfolge stehen, werden sie früher oder später ebenfalls dort auftauchen.«
»Dann besteht also die Gefahr, dass wir auf der Insel erneut mit ihnen zusammenstoßen«, sagte Damián.
»Ja. Aber die Wahrscheinlichkeit, die Spur unserer Eltern wiederzufinden, ist am größten, wenn wir uns nach
Ji begeben. Irgendwann werden wir es leid sein, hier auf sie zu warten.«
Nachdenkliches Schweigen trat ein. Wider Erwarten hatte Josion die richtigen Worte gefunden, um seine Gefährten zu überzeugen. Gerade wollten die anderen ihm zustimmen, als lautes Wiehern an ihre Ohren drang.
»Sicher eins unserer Pferde«, bemerkte Souanne. »Wir sollten die Tiere in die Burg holen.«
Mit gerunzelter Stirn durchquerte Josion den Raum und öffnete ein kleines Fenster, das auf den Hof ging. Draußen war es stockfinster, nur der Mond warf fahles Licht auf die regennassen Mauern. Abermals wieherte jenseits der Festungsmauer ein Pferd.
»Ich gehe mal draußen nachsehen«, sagte Josion.
Gerade wollte er das Fenster wieder schließen, als eine Bewegung auf dem Wehrgang seine Aufmerksamkeit erregte. Als er in der Dunkelheit eine Silhouette erblickte, gefror ihm das Blut in den Adern. Erst eine, dann noch eine zweite.
»Sie sind hier!« Er wirbelte zu den anderen herum. »Sie sind in der Burg!«
Vor lauter Müdigkeit dachte Souanne für einen Augenblick, Josion spreche von den Pferden. Doch als sie seinen panischen Gesichtsausdruck sah, erkannte sie ihren Fehler. Sie sprang auf, lief zum Fenster und spähte nach draußen. Erst konnte sie nichts erkennen, aber als sie mehrere Männer über den Wehrgang huschen sah, spannte sie jeden Muskel ihres Körpers an.
»Es sind mindestens fünf«, rief sie über die Schulter.
Souanne duckte sich weg, weil sie am hellen Fenster ein leichtes Ziel abgab. Die anderen waren mit entsetzten Gesichtern aufgesprungen. Maara hatte sich bereits ihre Lowa und den Schild geschnappt, Guederics Gesicht war zu einer Maske erstarrt, und Damián sah sich hektisch um, als wäre einer der Kerle bereits in den Saal eingedrungen. Najel und Lorilis standen Seite an Seite, als suchten sie beieinander Schutz, und Josion lief bereits mit großen Schritten zur Tür, seinen Dolch in der Hand. Im Vorbeigehen griff er nach einer Laterne. Die anderen wechselten rasche Blicke und folgten ihm.
Souannes Herz klopfte zum Zerspringen. Die Männer, die sie auf dem Wehrgang gesehen hatte, waren in geduckter Haltung von Zinne zu Zinne gehuscht. Aber nun wussten sie vermutlich, dass sie entdeckt worden waren, und scherten sich nicht mehr um große Geheimhaltung. Sie würden sich versammeln und konnten jeden Moment zum Angriff übergehen!
Josions Geschichten gingen ihr nicht aus dem Kopf. Während des Kampfes in dem Schuppen hatte sie um ihr Leben gefürchtet, aber das war nichts im Vergleich zu dem Grauen, das sie jetzt packte. Vielleicht waren die Eindringlinge nicht einmal sterblich, schoss es ihr durch den Kopf. Wer wusste schon, ob die Dämonen tatsächlich aus der Welt verschwunden waren? Schließlich war in den letzten Tagen eine Menge seltsamer Dinge geschehen … Was, wenn sie gegen einen Lemur aus dem Karu kämpfen musste? Gegen ein solches Ungeheuer würde sie kaum eine Chance haben. Und sollte sich unter den Angreifern ein noch mächtigerer Dämon befinden, waren sie verloren.
Josion hastete immer weiter durch Gemächer, Säle und Gänge. Ihre Laternen erhellten für kurze Zeit einen Raum oder einen Treppenabsatz, bevor dieser erneut in Dunkelheit versank. Souanne sah immer wieder über die Schulter, weil sie fürchtete, aus einer finsteren Ecke könnte plötzlich ein Angreifer hervorspringen. Sie ärgerte sich, dass
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