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Die Göttin der kleinen Siege

Die Göttin der kleinen Siege

Titel: Die Göttin der kleinen Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannick Grannec
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Monsieur Sicozzi, ich bin keine Wissenschaftlerin. Über Mathematik können wir nicht sprechen.“
    „Umso besser. Damit ersparen Sie es mir, diese Babyhaie zu füttern.“
    Mit einem diskreten Kopfnicken deutete er auf die drei steifen Fellows , die ihn begehrlich anschielten und ganz ergriffen waren, weil sie zu diesem Fest eingeladen waren.
    „Sie haben nicht jeden Tag eine Fields-Medaille in Reichweite.“
    „Hier trifft man sie doch an jeder Straßenecke!“
     
    Die engsten Vertrauten von Institutsleiter Adams waren vollzählig, Calvin und Virginia hatten jeweils ihre Hälfte der Gäste zu Tisch gebeten. Am anderen Ende der Tafel schien sich der Richardson-Erbe tödlich unter Virginias Kreuzfeuer aus Fragen zu langweilen. Anna begrüßte mehrere Princetoner, darunter einen sehr umschmeichelten Nobelpreisträger, den sie von der Arbeit kannte. Leo tauchte neben ihr auf. Er stellte sich Sicozzi als „Wunderkind und verlorener Sohn des Hauses“ vor, dann setzte er sich einfach so neben seine Jugendfreundin. Seine Mutter funkelte ihn wütend an, er ignorierte sie. Calvin Adams musste sich auf den Stuhl setzen, der für seinen Sohn reserviert war – neben Richardson. Sein Platz erlaubte ihm weder einen direkten Blick ins Dekolleté der jungen Roth noch in den ansehnlicheren Ausschnitt von Missis Wilson. Er tröstete sich mit dem letzten Schluck Whiskey aus seinem Glas. Die eine war zu mager, die andere zu alt.
    Anna überlegte, wie sie ein Gespräch beginnen sollte. Der Alkohol, den sie auf nüchternen Magen getrunken hatte, rumorte in ihrem Bauch, und Leos stumme Präsenz zu ihrer Rechten war auch nicht dazu angetan, sie zu entspannen.
    „Thanksgiving ist ein besonderer Tag. Wir danken Gott für all die Segnungen des Jahres.“
    „Und wie bestrafen Sie ihn für den Rest?“
    „Genauso. Mit Magenverstimmung, Trunkenheit und Spannungen in der Familie.“
    „In Frankreich zählen wir darauf, dass der Weihnachtsmann uns so ein explosives Gemisch beschert.“
    Anna kämpfte gegen ihre Übelkeit an und trank einen Schluck Wasser. Sicozzi beugte sich zu ihr herüber.
    „Der Gedanke, Truthahn zu essen, behagt mir nicht so recht.“
    „Die Franzosen haben sehr wenig Vertrauen in andere Küchen.“
    „Wir haben Vorurteile. Genauso wie die Amerikaner uns gegenüber. Doch den Pessimismus haben wir beide gemeinsam. Sie in Bezug auf die Feststimmung, ich in Bezug auf den Truthahn.“
    „Keine Sorge. Die Köchin hat eine sehr eigene Art, das Thanksgiving-Mahl zuzubereiten. Virginia versucht vergebens, sie dazu anzuhalten, die Tradition zu respektieren – es ist einfach stärker als sie. Ernestine gibt immer einen Hauch Exotik hinzu. Ich erinnere mich an eine sehr scharfe Füllung, alle Gäste haben geweint.“
    Das Thanksgiving, an dem Leo der Füllung eine sehr spezielle Ingredienz hinzugefügt hatte, verschwieg sie wohlweislich. Der Space Turkey war Anlass für einen denkwürdigen Abend gewesen, an dem die Überlebenden, hingefläzt auf großen Sofas, ohne Ende fantasiert hatten. An jenem Nachmittag hatte Anna viel über den Urknall gelernt. Dieser Scherz hatte Leonard eine einfache Fahrt ins Internat eingebracht.
    Der Tisch war wunderschön gedeckt: strategisch angeordnetes Tafelsilber, glitzernde Gläser, raffinierte Blumengebinde und dampfende Platten. Anna erkannte das weiße Service mit dem Silberfarnmuster wieder, das sie so mochte. Als Kind hatte sie mit dem Finger die Pflanzenranken nachgezogen, um sich von den endlosen Diskussionen der Erwachsenen abzulenken. Nun war sie am anderen Ende der Brücke angelangt. Sie streichelte die Ornamente ihres Tellers. Sie dachte an die Gödels, die damals, frisch ausgeschifft, vor diesen Bergen an Lebensmitteln gestanden waren: Adele stopfte sich voll, Kurt knabberte an seinem Geflügel.
    Ernestine kam herein. Sie trug eine Platte mit einem riesigen Federvieh und stellte sie auf einen Servierwagen. Dann nahm sie ein Messer zur Hand, das den Ausmaßen des Vogels würdig war. Die Tischgesellschaft sah diesem Kampf der Titanen schweigend zu. Das Tier würde nicht den Sieg davontragen, Ernestine war eine Naturgewalt. Sie bedrohte die Tafel mit ihrer Waffe: „Thanksgiving-Truthahn à ma façon !“ Auf ihre Art. Virginia sendete Notsignale an ihren Mann, der sie mit einem zerknirschten Lächeln besänftigte. Pierre Sicozzi strahlte, als er den Duft von Trüffeln roch. Die Kreolin, fasziniert von ihrem Erfolg, trug ihm als Erstem auf. Als sie mit einer riesigen Scheibe

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