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Die Göttin der kleinen Siege

Die Göttin der kleinen Siege

Titel: Die Göttin der kleinen Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannick Grannec
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einer Tupperschüssel, abzulehnen kam gar nicht infrage, dann erdrückte sie sie fast an ihrem großen Busen. „ Appelle-le, crétine “, flüsterte sie Anna ins Ohr. „Ruf ihn an, Dummerchen!“
     
    Als sich die Tür hinter den letzten Gästen schloss, kehrte Calvin in seine private Hölle zurück. Virginia schenkte sich mit ausladenden, schwankenden Bewegungen einen Gin ein.
    „Willst du sie verkuppeln? Anna ist eine blasse Kopie von Rachel. Du wirst Enkel haben, die weiß sind wie Mairübchen und die große Nase ihres Vaters haben. Wo soll ich für Bar Mizwa reservieren?“
    „Du redest Unsinn.“
    Sie ließ die Eiswürfel in ihrem Glas klingeln.
    „Ich habe einen vollkommen klaren Kopf. Du hattest immer eine Schwäche für ihre Mutter.“
    „Wie es scheint, fängst du immer früher am Tag damit an, einen klaren Kopf zu bekommen, Virginia.“

46.
1958
Der alte Schlawiner Albert ist tot
    „Liebe Nachwelt!
Wenn Ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet, als wir sind bzw. gewesen sind,
so soll Euch der Teufel holen.
Diesen frommen Wunsch
mit aller Hochachtung geäußert habend,
bin ich Euer (ehemaliger) Albert Einstein.“
Albert Einstein, „ Nachwort“
     
     
    Ich ging im Garten hin und her und überlegte, wo ich meinen Neuerwerb platzieren sollte, einen rosaroten Flamingo aus bemaltem Zement. Von seinem Liegestuhl aus sah Kurt mich herumwuseln. Trotz der milden Frühlingsluft hatte er seinen Mantel anbehalten, er hatte die Beine mit einem Plaid bedeckt und, seine neueste Marotte, eine Wollmütze aufgesetzt. Von der Treppe aus fand ich den idealen Platz: neben der Laube. Das grelle Rosa würde sich herrlich mit dem Grün des Rasens und dem zarten Rot meiner Kamelien beißen. Ich steckte meine Trophäe in die Erde, dann wich ich zurück und bewunderte den Effekt – es war unmöglich, nicht auf dieses unpassende Stück aufmerksam zu werden. Schon im Voraus weidete ich mich an Mutter Gödels stummer Missbilligung. Schau her, Marianne, was eine Frau von bescheidenem Geschmack so alles fertigbringt!
    „Diese Kuriosität wird meiner Mutter nicht gefallen.“
    „Frau Mutter wird damit leben müssen. Ich liebe es!“
    „Es passt ihr schon nicht, dass sie im Hotel wohnen muss.“
    „Es geht nicht anders. Du kannst doch deine Mutter und deinen Bruder nicht zusammen auf dem Sofa schlafen lassen!“
    „Ich finde es nicht sehr charmant, dass meine Familie bei ihrem ersten Besuch in Princeton ein Hotel bezahlen muss.“
    „Mit dem Geld, das du ihr jeden Monat schickst? Und dein Bruder hat ein gutes Einkommen.“
    „Deine Mutter wohnt bei uns, und meine kann hier nicht einmal ein paar Nächte verbringen.“
    „Du kannst Marianne das Hotel ja bezahlen, aber dein Bruder, der bezahlt selbst!“
    Nach neunzehn Jahren Trennung beehrten Marianne und Rudolf Gödel uns endlich mit einem Besuch. Kurt freute sich zwar sehr über das Wiedersehen und war erleichtert, dass er nicht selbst nach Europa reisen musste, aber er hatte Sorge, dass er einen neuen Familienkrieg über sich ergehen lassen müsste. Er verstand meinen Groll gegen die beiden nicht, von den Gefühlen anderer Menschen hatte er noch nie etwas begriffen. Ich hatte versprochen, mich zu benehmen, ich würde die beiden großzügig bewirten und sie lächelnd durch Princeton führen. Wenn Marianne mich nicht ärgerte! Ich musste zugeben, dass Kurt mir nie Vorhaltungen wegen meiner Reiseausgaben machte oder wegen der Verpflichtung, meine Mutter zu beherbergen. Aber das war höhere Gewalt. Ich konnte Hildegarde nicht allein im Hospiz sterben lassen. Sie fand den Weg von ihrem Schlafzimmer zur Küche nicht mehr. Oft musste ich sie im letzten Moment von der Straße holen, sie glaubte, sie sei in der Langen Gasse.
    „Schade, dass meine Mutter Albert nicht kennengelernt hat. Es hätte mich so glücklich gemacht, ihn ihr vorzustellen. Sie waren im selben Alter.“
    Ich kniete mich neben ihn.
    „Willst du eine schöne Tasse Tee? Du siehst halb erfroren aus.“
    „Hast du daran gedacht, Fleisch für heute Abend zu besorgen? Meine Mutter isst so gern Kalbfleisch.“
     
    Wir zählten die Toten. Der alte Schlawiner Albert war vor drei Jahren gestorben. Aus Europa hörten wir, dass Pauli in einem Schweizer Krankenhaus im Sterben lag.41 Anfang des Jahres hatte der Krebs den ungeheuer vitalen John von Neumann bezwungen.42 Bei seinem Begräbnis auf dem Friedhof von Princeton hatte ich mich an diesen schauderhaften Witz von Einstein erinnert:

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