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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Aufmerksamkeit, manchmal fröhlich, oft rätselhaft, Miranda die Frau.
      Sie ritten stundenlang, bis sie schließlich flußaufwärts einen Teil des Flusses erreichten, an dem Tallow vor einer Woche vorbeigesegelt war, wenn auch schlafend. Sie kamen an einen Hügel, fielen sich atemlos und erregt in die Arme, schmiegten sich eng aneinander und sanken in das feuchte Gras.
    »Dein Fluß«, flüsterte Miranda etwas später. »Ich werde von jetzt an immer denken, daß es deiner ist. Bisher dachte ich, es wäre mein Fluß, aber jetzt weiß ich, daß er es nicht ist.« Tallow war überrascht. Er sagte: »Der Fluß gehört jedem, das ist seine Schönheit. Jedem.« »Nein«, sagte sie. »Er gehört dir, das weiß ich.«
    »Er gehört nicht nur mir, Liebling«, sagte er zärtlich. »Jeder kann auf ihm segeln, in ihm baden, aus ihm trinken. Dafür ist er ja da.«
    »Vielleicht«, räumte sie schließlich ein. »Vielleicht stimmt das, aber ich weiß, was ich in Zukunft denken werde.« »Eines Tages werde ich ihn dir zum Geschenk machen, Liebes«, lächelte er. Und er hatte recht, wenn er es auch nicht wußte.
    Er starrte auf den Fluß hinaus und erblickte für einen flüchtigen Augenblick die goldene Barke, die ruhig und unerschütterlich wie immer vorbeisegelte. Er wandte sich zu Miranda und rief aufgeregt: »Da! Da – jetzt siehst du, daß ich nicht gescherzt habe! Das goldene Schiff! Das letzte Mal muß ich eine Luftspiegelung oder so etwas gesehen haben! Ich bin an ihm vorbeigefahren, während ich schlief!« Doch als er wieder hinsah, war es verschwunden, und Miranda stand auf und ging zu der Stelle, an der sie die Pferde angebunden hatten. »Du mußt immer alles verderben«, sagte sie. »Du sprichst stets von Dingen, die mich beunruhigen.«
    Sie ritten schweigend vom Fluß fort. Tallow dachte jedoch an die Barke und wog seine Gedanken sorgfältig ab.
    Später am Abend saßen sie im Eßzimmer vor einem Feuer und tranken, und die Kluft hatte sich noch nicht geschlossen. Miranda war trotzig und unnahbar, und er war hitzig und fragte sich, ob das, was er wollte, unerreichbar sei. So saßen sie, bis es draußen Unruhe gab und Tallow zum Fenster ging, um festzustellen, was sich da tat. Es war dunkel, und er konnte nicht viel erkennen. Die Nacht war voll von Gelächter und Schreien, flackernden Fackeln und wechselnden Schatten. Tallow sah, daß eine Gruppe Betrunkener auf das Haus zukam.
    Und er spürte, daß ihm die Störung willkommen war.
»Besuch«, sagte er.
»Ich möchte niemanden sehen.«
»Warum nicht? Wir könnten eine Gesellschaft oder so etwas
geben.«
»Sei still!« Ihr Mund schmollte.
Er seufzte und ging in die dunkle, kalte, zugige Halle hinab.
Als er sie erreicht hatte, pochten Leute an die halb geöffnete
Tür.
»Ist jemand da?«
»Ein Obdach, wir bitten um ein Obdach.«
Gelächter.
»Bist du sicher, daß das Haus jemandem gehört? « Diesmal
eine Frauenstimme. Als Antwort eine andere Frau: »Ja, meine
Liebe, ich habe oben Licht in einem Fenster gesehen.«
»Ist jemand zu Hause?«
»Wir haben eine Menge Flaschen.«
Wieder Gelächter.
    Tallow zog den Türflügel auf und stellte sich vor die Eindringlinge hin. »Guten Abend«, sagte er angriffslustig. »Guten Abend, mein lieber Herr. Einen guten Abend.« Vor ihm verbeugte sich theatralisch ein grinsender Fettwanst, in extravagante Kleidung gehüllt, mit Umhang, kniehohen Stiefeln, Zylinder und Stock mit Silberknauf.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte Tallow widerstrebend.
    »Wir haben uns verlaufen.« Der Mann war betrunken. Er schwankte auf Tallow zu und starrte ihn an. Sein Atem stank nach Alkohol. »Wir haben uns verirrt und suchen ein Dach überm Kopf. Können Sie uns unterbringen?«
    »Dies ist nicht mein Haus«, erwiderte Tallow stumpfsinnig. »Ich werde nachsehen. Treten Sie erst einmal näher. Wie sind sie bis hierher gekommen?«
    »Mit dem Boot, mit Booten, mit einer Menge Boote. Herr
    lich. Bis wir natürlich nicht mehr wußten, wo wir waren.« »Na schön.« Tallow ging die Treppe hinauf zu Miranda. Sie schmollte noch immer.
    »Wer sind die Leute?« fragte sie gereizt. »Sag ihnen, sie sollen verschwinden, und dann gehen wir zu Bett.«
    »Wir können sie doch nicht abweisen. Sie haben sich verlaufen. Laß sie hier schlafen. Die werden uns schon nicht stören, oder?«
    »Ich glaube, ich sehe sie mir lieber an, Jephraim.« Sie stand auf, küßte ihn, und sie gingen Arm in Arm nach unten. Die Fackeln der Nachtschwärmer brannten noch und

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